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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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märkisch und gehörte zu denen, an denen man alle guten und auch einige schwache Seiten des alten Märkertums wie an einem Musterbeispiel studieren konnte; sie war, um es am Schlusse noch einmal zu sagen, tüchtig, verständig, zuverlässig, ja, mehr denn das, treu wie Gold, und ihre schlichten, immer aus der Lebenserfahrung heraus gesprochenen Sätze haben durch ein Menschenalter hin einen großen Einfluß auf mich geübt, auch solche Sätze, denen ich jede höhere und mehr noch jede schönere Berechtigung absprechen mußte. »Nie über seine Verhältnisse leben«, das war natürlich richtig. Und auch das war richtig: »Niemandem zur Last fallen, lieber entbehren und entsagen.« Aber in ihrem am eindringlichsten gepredigten Satze: »Nur von andern nichts annehmen«, konnte ich ihr nicht zustimmen. Freilich lag gerade die Weisheit dieses Satzes – wenn er nun mal bedingungsweise (und das kann er) für weise gelten soll – tief in ihrer Natur begründet, von Jugend an. Als sie zehn Jahre alt war, wollte ihr eine alte Tante durchaus einen Taler schenken; sie nahm ihn, nach langer Gegenwehr, endlich auch an, aber kaum wieder im Zimmer allein, so warf sie ihn fort und rief weinend: »Ich will keinen Taler.«
    »Nur nichts annehmen« – noch einmal, ich stehe gegen diesen Satz. Aber das unter märkischen Erfahrungen und Anschauungen herangewachsene und alle Zeit über unter eben diesen Eindrücken verbliebene Fräulein wird lokaliter, so viel kann ich zugestehen, wohl auch in diesem Punkte recht gehabt haben. Es ist nicht christliche Weisheit, die sich darin ausspricht, aber brandenburgische. Das arme Land hat in zurückliegenden Jahrhunderten eine dieser Armut entsprechende Weisheit großgezogen.
     

Tramnitz
     
    Beneath those rugged elms
    Where heaves the turf in many a mouldring heap,
    The rude forefathers of the hamlet sleep.
    Thomas Gray
     
    Eine halbe Meile nördlich von Trieplatz liegt Tramnitz, ebenfalls ein alt-Rohrsches Gut. Der Weg dahin hat denselben Einsamkeitscharakter wie die zu Beginn des vorigen Kapitels von mir geschilderte Landschaft. Die Dosseufer sind eben von einer ganz besonderen Tristheit, wenigstens soweit der obere Lauf des Flusses in Betracht kommt. All diese Strecken veranschaulichen in der Tat jenes märkische Landschaftsbild, das im allgemeinen weniger in der Wirklichkeit als in der Vorstellung der Mittel- und Süddeutschen existiert.
    Dorf Tramnitz wirkt wie ein Kind des Bodens, auf dem es gewachsen. Es weckt ein Herbstgefühl. Und auch die Stelle, wo das Herrenhaus gelegen ist, ändert nichts an diesem Eindruck. Vielleicht wär es anders, wenn nicht der weiße, ziemlich weitschichtige Bau, vor dem ein paar mächtige Linden aufragen, eine wahre Mausoleumseinsamkeit um sich her hätte. Hat sich doch, seit dem Tode des Vorbesitzers, aus dem jetzt leerstehenden Herrenhause das Leben in ein abseits gelegenes einfaches Fachwerkhaus zurückgezogen, an dessen Schwelle wir von einer freundlichen alten Dame begrüßt und an einen mit Meißner Tassen besetzten Kaffeetisch geführt werden.
    Die freundliche alte Dame ist »Tante Wilhelmine«. Sie verwaltet, neben anderem, auch den Anekdotenschatz des Hauses, und der Kaffee, von dem wir eben wohlgefällig nippen, wohin könnte er den Gang der Unterhaltung natürlicher hinüberleiten als zur Geschichte von »Tante Fiekchen«.
    Eben diese, die zu Beginn des vorigen Jahrhunderts auf Tramnitz lebte, war um 1733, als Kronprinz Friedrich in Ruppin stand, eine hochbetagte Dame, die des Vorrechtes genoß, allen derb die Wahrheit sagen zu dürfen, am meisten den jungen Offizieren des Regiments Prinz Ferdinand, wenn diese zum Besuche herüberkamen. Einstmals kam auch der Kronprinz mit. Er ward inkognito eingeführt und da ihm »Tante Fiekchens« Kaffee, der wenig Aroma aber desto mehr Bodensatz hatte, nicht wohl schmecken wollte, so goß er ihn heimlich aus dem Fenster. Aber Tante Fiekchen wäre nicht sie selber gewesen, wenn sie es nicht auf der Stelle hätte merken sollen. Sie schalt denn auch heftig, und als sie schließlich hörte, wer eigentlich der Gescholtene sei, wurde sie nur noch empörter und rief: »Ah, so. Na, denn um so schlimmer. Wer Land und Leute regieren will, darf keinen Kaffee aus dem Fenster gießen. Sein Herr Vater wird wohl recht gehabt haben!« Übrigens wurden sie später die besten Freunde, schrieben sich, und wenn der König irgendeinen alten Bekannten aus dem Ruppinschen sah, unterließ er nie, sich nach Tante Fiekchen zu

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