Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ausgeschlossen: ein Dammbruch kann stattfinden oder die Höhe des Wassers kann die Höhe der Dämme übersteigen. Indessen verringert sich diese Möglichkeit von Jahr zu Jahr, da die Dämme, wie nach immer verbesserten fortifikatorischen Prinzipien gemodelte Festungen, alljährlich an Ausdehnung und Widerstandskraft gewinnen.
Ad 3. Die dritte Aufgabe war, das Binnenwasser abzufangen. Dies war kaum minder wichtig als die Anlegung der Dämme. Die Dämme schützten gegen die von außen her hereinbrechenden Fluten; aber sie konnten nicht schützen gegen das Wasser, das teils sichtbar in Sümpfen, Pfuhlen und sogenannten »faulen Seen« dastand, teils als Grundwasser unter dem Erdreich lauerte, jeden Augenblick bereit, zu wachsen und an die Oberfläche zu treten. Um diesem Übelstande abzuhelfen, ohne den eine eigentliche Trockenlegung nicht möglich war, bedurfte es eines ausgedehnten Kanalsystems. Auch ein solches wurde geschaffen. Zahllose Abzugsgräben, kleine und große und unter den verschiedensten Namen, wurden hergestellt, die sämtlich in den sogenannten »Landgraben« und mittelst desselben, an Wriezen und Freienwalde vorüber, in die »neue Oder« mündeten. Zum Teil sind es auch wohl diese Gräben, die das tiefer gelegene Bett der »alten Oder« mit Wasser speisen und dasselbe vor völligem Austrocknen schützen. Dies ganze Kanalsystem, ebenso wie die Verwallung, ist im Laufe der Jahrzehnte vielfach verbessert worden und weite Strecken, die noch vor vierzig Jahren eine durchaus unsichere Heuernte gaben, zeigen jetzt um die Sommerzeit die schönsten Raps- und Gerstenfelder.
Das Wesentliche dieser Arbeiten – die selbstverständlich nie ganz ruhten und bis diesen Tag fortgesetzt werden – war bereits vor Ausbruch des Siebenjährigen Krieges beendet. 5 Niemand ahnte damals, was im Laufe der Zeit durch den Einfluß von Luft und Sonne, durch den Fleiß der Bewohner, durch Verstärkung der Dämme, durch Erweiterung und bessere Richtung der Abzugsgräben, aus diesem Landesteile werden würde; – man hielt es überwiegend nur zum Graswuchs und zur Weide geeignet. Der Brief eines Reisenden, der das Bruch im Jahre 1764 passierte, gibt Auskunft darüber. Der Brief lautet:
»So angenehm auch diese Gegend geworden (denn es ist die ebenste Pläne, die Wege mit Weiden besetzt, wie auch die Deiche, und zwar mit mehreren Reihen, nicht nur auf dem Kamm, sondern auch auf der Böschung zu beiden Seiten, damit sie von den verwachsenen Wurzeln eine mehrere Festigkeit bekommen), so haben die neuen Dörfer doch mehrfach schon durch Überschwemmung gelitten, so daß man mit Kähnen die Einwohner retten, oder ihnen doch, da sie auf die Böden ihrer Häuser geflüchtet, zu Hilfe kommen mußte. Der eingedeichte Acker dürfte wohl mit der Zeit der Wische in der Altmark ähnlich werden; aber noch ist er es nicht... In den ersten Jahren gab der Roggen fast gar kein Mehl, sondern lauter Kleie, und die Gerste taugte gar nicht zu Malz, weil es lauter Lagerkorn gewesen war.«
Seitdem ist es unser eigentliches Gerstenland geworden. Neuerdings blüht in ihm die Rübenkultur. Große Zuckerfabriken existieren auf den Ämtern, und immer neue Unternehmungen treten ins Leben. Der Anblick dieses fruchtbaren Landesteiles aber ruft immer wieder die Worte des großen Königs in unser Gedächtnis zurück: »Hier hab' ich im Frieden eine Provinz erobert.«
3. Die alten Bewohner
Alte Zeit und alte Sitt'
Hielt mit dem Neuen nicht länger Schritt,
Aber sieh da, das alte Kleid
Hat länger gelebt als Sitt' und Zeit.
Das Oderbruch – oder doch wenigstens das Niederbruch, von dem wir im nachstehenden ausschließlich sprechen – blieb sehr lange wendisch. Wahrscheinlich waren alle seine Bewohner, bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinein, von ziemlich unvermischter slawischer Abstammung. Die deutsche Sprache war eingedrungen (es ist nicht festzustellen wann), aber nicht das deutsche Blut. Die Gegend war auch nicht dazu angetan, zu einer Übersiedlung einzuladen. Ackerland gab es nicht, desto mehr Überschwemmungen, und der Fischfang, den die Wenden, wenigstens in diesen Gegenden, vorzugsweise betrieben, hatte nichts Verlockendes für die Deutschen, die zu allen Zeiten entweder den Ackerbau oder die Meerfahrt, aber nicht den Fischfang liebten. Dazu kam, daß die alten Wenden, wie es scheint, von sehr nationaler und sehr exklusiver Richtung waren und den wenigen deutschen Kolonisten, die sich hier niederließen (z.B. unter dem Großen
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