Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Kürbisse die besser rentierenden Gurken usw. zieht, macht keinen Unterschied.
Der oben mitgeteilte Brief hat uns ziemlich anschaulich die Lokalität der alten Oderbruchdörfer gegeben; die Frage bleibt noch, wie waren die Bewohner nach Charakter, Sitte, Tracht?
Zunächst ihr Charakter. Wie gut auch das Zeugnis ist, das noch jetzt an einigen Stellen des Oderbruchs den Überresten der wendischen Bevölkerung im Gegensatz zu den »Pfälzern« ausgestellt wird, so ist es doch nicht sehr wahrscheinlich, daß es vor hundert Jahren und darüber mit diesen von der Welt abgeschnittenen, von jeder Idealität losgelösten Existenzen etwas Besonderes auf sich gehabt habe. Es waren vielleicht gut geartete, aber jedenfalls rohe, in Aberglauben und Unwissenheit befangene Gemeinschaften 6 , die trotz ihres christlichen Bekenntnisses mit den alten Wendengöttern nie recht gebrochen hatten. Der Aberglaube hatte in diesen Sümpfen eine wahre Brutstätte. Kirchen gab es zwar ein paar; aber der Geistliche erschien nur alle sechs oder acht Wochen, um eine Predigt zu halten, und der Verkehr mit den glücklicheren Randdörfern oder gar mit den Städten, wohin sie eingepfarrt waren, war durch Überschwemmungen und grundlose Wege erschwert. Man darf mit nur allzugutem Rechte behaupten, daß die Brücher in allem, was geistlichen Zuspruch und geistiges Leben anging, von den Brosamen lebten, die von des Herrn Tische fielen. Die Toten, um ihnen eine ruhige Stätte zu gönnen (denn die Fluten hätten die Gräber aufgewühlt), wurden auf dem Wriezener Kirchhof oder auf den Höhe-Dörfern begraben und die Taufe der Kinder erfolgte vielleicht vier- oder sechsmal des Jahres in ganzen Trupps. Es wurden dann Boote nach der benachbarten Stadt abgefertigt, die dem dortigen Geistlichen die ganze Taufsendung zuführten, wobei sich's nicht selten ereignete, daß von diesen in großen Körben transportierten Kindern das eine oder das andere auf der Überfahrt starb.
Die geistige Speise, die geboten wurde, war spärlich und die leibliche nicht minder; Korn wurde wenig oder gar nicht gebaut, die Kartoffel war noch nicht gekannt, oder wo sie gekannt war, als Feind und Eindringling verabscheut; ein weniges an Gemüse gedieh auf den »Kuhmistwällen«, sonst – Fisch und Krebse und Krebse und Fisch. Seuchen konnten nicht ausbleiben; dennoch wird eigens berichtet, daß ein kräftiger Menschenschlag, wie jetzt noch, hier heimisch war und daß Leute von neunzig und hundert Jahren nicht zu den Seltenheiten zählten.
Ein hervorstechender Zug der Wenden, zum Beispiel auch der Spreewaldwenden, ist ihre Heiterkeit und ihre ausgesprochene Vorliebe für Musik und Gesang. Ob eine solche Vorliebe auch bei den Wenden des Oderbruchs zu finden war? Möglich, aber nicht wahrscheinlich. Eins spricht entschieden dagegen. Volkslieder haben ein langes Leben und überdauern vieles; aber nirgends begegnet man ihnen bei den Brüchern. Diese singen jetzt, was anderen Orts gesungen wird. Keine Spur wendischer Eigenart; woraus sich schließen läßt, daß überhaupt wenig davon vorhanden war. 7
Das einzige, was sich, ähnlich wie im Altenburgischen, auch hier im Bruche länger als jede andere Spur nationalen Lebens erhalten hat, ist die Tracht. Über diese noch ein paar Worte.
Wir begegnen ihr nicht inmitten des Bruchs, wo sich das Wendentum bis 1747 ziemlich unvermischt erhielt, sondern umgekehrt am Rande, wo die Berührung mit der deutschen Kulturwelt schon durch Jahrhunderte hin stattgefunden hatte. Aber dies darf nicht überraschen. Diese Berührung blieb in den Randdörfern eine spärliche, mäßige, wie sie es immer gewesen war, während das durch Jahrhunderte hin wendisch intakt erhaltene Zentrum, als diese Berührung überhaupt einmal begonnen hatte, durch Masseneinwanderung solche Dimensionen annahm, daß das Wendentum in kürzester Frist darunter ersticken mußte. Die Gäste wurden die Wirte und gaben nun den Ton an. Anders in den Randdörfern, wenigstens in den einzelnen derselben. An dem Abhange des Barmin-Plateaus, in der ehemaligen »Derfflingerschen Herrschaft«, liegen noch einige Dörfer, drin sich Überreste wendischer Tracht bis auf diesen Tag erhalten haben. In Vollständigkeit existiert sie nur noch in Quilitz, dem gegenwärtigen Neu-Hardenberg.
Diese Kleidung, soweit die Frauen in Betracht kommen, besteht aus einem kurzen roten Friesrock mit etwa handbreitem, gelbem Rand; ferner aus einem beblümten, dunkelfarbigen, vorn ausgeschnittenen Leibchen und aus
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