Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
einem weißen Hemd, dessen Ärmel bis zum Mittelarm reichen, während Latz und getollter Kragen über Brust und Nacken fallen. Dazu Kopftuch und Schürze. Die Tracht ist alltags und sonntags dieselbe und nur im Stoff verschieden. Alltags: blaue geblümte Kattun- oder Leinwandschürze und Kopftuch von demselben Zeug; sonntags: weiße Schürze und schwarzseidenes Kopftuch. Der rote Friesrock ist das Ständige und die Schürze ist jedesmal um eine Handbreit länger als der Rock. Wie Alltag oder Sonntag, so macht natürlich auch arm und reich einen Unterschied. Bei den Ärmeren legt sich der Friesrock in wenige, bei den Reichen in viele Falten und erreicht seine Höhe, so wenigstens wird erzählt, wenn er so viele Falten hat wie Tage im Jahre. Für das Leibchen ist Manchester ein sehr bevorzugter Stoff. Weiße Zwickelstrümpfe vollenden den Anzug und massive silberne Ohrgehänge sind beliebt.
    Diese wendische Tracht nimmt sich höchst malerisch aus und ist so ziemlich die kleidsamste unter allen Nationaltrachten, die mir in den verschiedenen Teilen Norddeutschlands vorgekommen sind. Es ist damit kein übertriebenes Lob gespendet, da diese Trachten, sosehr ich sie liebe und sosehr ich ihrer Konservierung das Wort reden möchte, doch vielfach nichts weniger als schön zu nennen sind. Oft sind sie entschieden häßlich. Ich erinnere nur an die Altenburgerinnen, die wie steif ausgestopfte Bachstelzen einherschreiten. Alle diese Nationaltrachten indes, ob schön oder häßlich, sind meist sehr kostspielig zu beschaffen, und dieser Umstand hat entschieden mitgewirkt, der städtischen Mode, will sagen dem billigeren Kattunkleide, den Eingang zu verschaffen. Auch in Quilitz – das, nachdem es dem Staatskanzler Fürsten Hardenberg als Dotation zugefallen war, den Namen Neu-Hardenberg erhielt – würden wir höchst wahrscheinlich einer Wandlung zum Modernen hin begegnen, wenn nicht allerhand Rücksichten eine künstliche Konservierung der alten Sitte herbeigeführt hätten. Schon der Fürst-Staatskanzler selbst, der ein feines Auge für derlei Dinge hatte, hielt darauf, daß die Frauen und Mädchen des Dorfs in der alten wendischen Tracht vor ihm erscheinen mußten, und auch später noch haben alle Mägde, die den bevorzugten Dienst im Schloß antreten wollten, sich zu Mieder, Kopftuch und Friesrock zu bequemen gehabt.
    Dem gesamten Oderbruch aber ist als Hinterlassenschaft aus der Zeit wendischer Tracht her das schwarze, seidene Kopftuch geblieben, das, jedem jugendlichen Gesichte gut stehend, die Oderbrücherinnen, zum Teil ziemlich unverdient, in den Ruf gebracht hat, ganz besondere Schönheiten zu sein.
     
4. Die Kolonisierung und die Kolonisten
     
    Es fiel zu leicht euch in den Schoß,
    »Zu glücklich sein«« war euer Los.
    Wie heißt der Spruch im goldnen Buch?
    »Reichtum ist Segen und Reichtum ist Fluch.«
     
    Die umfangreichen Arbeiten, die unter Friedrich dem Großen von 1746 bis 1753 ausgeführt wurden, kamen dem gesamten Oderbruche zustatten; in besonderem Maße aber doch nur dem nördlichen Teile desselben, dem Niederbruch. Dies war auch Zweck. Das Oderbruch zwischen Frankfurt und Küstrin war längst unter Kultur 8 ; das sumpfige Niederbruch, zwischen Küstrin und Freienwalde, war der Kultur erst zu erobern.
    Diese Eroberung des Niederbruchs, mit dem wir uns auch hier wieder ausschließlich beschäftigen, geschah, wie ich schon in dem Kapitel »Die Verwallung« gezeigt habe, a) durch das neue Oderbett, b) durch die Eindeichung, c) durch Abzugskanäle.
    Das Niederbruch, vor Ausführung dieser Arbeiten, war ein drei bis vier Quadratmeilen großes Stück Sumpfland, auf dessen wenigen, etwas höher gelegenen Sandstellen sich acht kümmerliche Dörfer vorfanden. Diese waren:
     
    Reetz, Meetz,
    Lebbin, Trebbin,
    Großbaaren, Kleinbaaren,
    Wustrow und Alt-Wriezen.
     
    So, wie hier aufgeführt, wurden diese Dörfer früher geschrieben. Die Rechtschreibung einzelner dieser Namen ist seitdem eine andre geworden: Meetz ist Mädewitz, Lebbin ist Lewin, Großbaaren und Kleinbaaren ist Groß- und Klein-Barnim. In der Volkssprache aber leben die alten Namen noch fort. Man sagt noch jetzt: Meetz, Lebbin und jedenfalls Groß- und Klein-Baaren.
    Diesen acht kümmerlichen Fischerdörfern zuliebe konnte natürlich seitens des großen Königs die Entwässerung von drei oder vier Quadratmeilen Sumpfland nicht vorgenommen werden, um so weniger, als er sehr wohl wußte, daß die Reetzer und Meetzer Fischer, wenn er ihnen auch alles

Weitere Kostenlose Bücher