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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ins Dasein rief? Was haben einhundertundfünfzig Jahre zerstört, was ist geblieben?
    Zunächst das Stadt-Palais. 1744 schenkte es der König an seinen jüngsten Bruder, den Prinzen Ferdinand, der zum Chef des in Ruppin garnisonierenden Regiments ernannt worden war. In dieser seiner Eigenschaft als Chef des nunmehrigen Regiments Prinz Ferdinand, scheint genannter Prinz bis 1787, wo das große Feuer die Stadt zerstörte, wenigstens zeitweilig in Ruppin residiert und das vormalig kronprinzliche Palais bewohnt zu haben. 18 Dies ergibt sich mit einiger Gewißheit aus der Existenz zweier etwa aus dem Jahre 1780 herstammender Bildnisse, die – bei Gelegenheit des Brandes von 1787 gerettet – einem anderen Gebäude wie dem Prinz Ferdinandschen Palais nicht wohl angehört haben können. Es sind dies die Bildnisse der Kaiserin Katharina von Rußland und der Königin Maria Antoinette, Porträts, die hier schwerlich anzutreffen gewesen wären, wenn nicht der Prinz auch noch in der Zeit nach dem Siebenjährigen Kriege wenigstens vorübergehend an dieser Stelle geweilt hätte. Was die Porträts selber angeht, so macht das der schönen Habsburgerin einen sehr gefälligen Eindruck, während das der Kaiserin Katharina mit dem Andreaskreuz auf der Brust nicht bloß durch Umwandlung aus einem ursprünglichen Kniestück in ein Bruststück, sondern weit mehr noch durch einen plump aufgetragenen Firnis an Wert und Ansehen verloren hat. Die Transponierung in ein Bruststück erfolgte, wie mir der gegenwärtige Besitzer vertraulich mitteilte, lediglich unter Anwendung einer großen Zuschneideschere, und war nötig, weil die ganze untere Partie der Kaiserin schwer gelitten hatte. Der Erzähler selbst ahnte dabei nichts von dem Bedeutungsvollen seiner Tat, am wenigsten aber von der historischen Gerechtigkeit, die die große Zuschneideschere geübt hatte.
    Das »Palais« selbst ist niedergebrannt, und ein apart aussehendes Haus (das sogenannte Molliussche Haus) ist auf dem Grund und Boden aufgeführt worden, auf dem 1732 die nachbarlichen Häuser des Obersten von Wreech und des Oberstleutnants von Möllendorff zu einer Art von prinzlichem Palais verbunden worden waren. Die Straße, die zu diesem Hause führt, führt wie billig den Namen der Prinzenstraße, und ein prächtiger alter Lindenbaum, der seine Zweige vor dem poetisch dreinschauenden grauweißen Hause ausbreitet, schafft ein Bild, wie's dieser Stelle paßt und kleidet.
    Zwischen dem Hause und der Stadtmauer liegt ein Gärtchen. Wir passieren es und stehen vor der auf den »Wall« hinausführenden Mauerpforte, die der Kronprinz allabendlich benutzte, wenn er nach dem Dienst und der Arbeit des Tages sich erhob, um im »Tempel« den obenbenannten Freundes- und Offizierskreis um sich her zu versammeln.
    Die Tür existiert nicht mehr, und es bedarf eines Umwegs, um die Außenseite der Mauer und dadurch zugleich den »Wall« zu gewinnen.
    Seine schattigen Gänge führen uns jetzt nach »Amalthea«.
    Hier im Garten ist noch manches, wie's ehedem war. Allerhand Neubauten entstanden, aber die Einfassung blieb, und die hohen Platanen im Hintergrunde, die über die Mauer hinweg mit den draußen stehenden Bäumen Zwiesprach halten, sind noch lebendige Zeugen aus den friderizianischen Tagen her. 19 Vor allem existiert noch der »Tempel« selbst. Aber freilich, es sind keine Säulen mehr, die das Kuppeldach tragen, sondern ein solides Mauerwerk mit Tür und Fenstern ist an ihre Stelle getreten und bildet ein mäßig großes Rundzimmer, das eben ausreicht zu einem Souper zu sechs.
    Wir sind die glücklich Geladenen. Der Wein lacht in den Gläsern, die Girandolen brennen und vom Garten her durch die offenstehende Tür treffen Mondlicht und Abendkühle den froh versammelten Kreis. Es ist, als wäre die alte Zeit wieder da, und ungesucht wird unser Beisammensein zu einer Darstellung aus: »Kronprinz Friedrich in Ruppin.« Unsere Kostüme freilich lassen viel vermissen (denn an was erinnerten unsere Reiseröcke weniger als an die silbergestickten Uniformen der Offiziere des kronprinzlichen Regiments), aber was den Kostümen fehlt, wird aufgewogen durch die künstlerische Treue der Kulissen und Requisiten. Die Spiegel mit ihren Rahmen in Barock, die Tische mit ihren ausgeschweiften Füßen, die Atlasgardinen, endlich das die »Geburt der Venus« darstellende Deckenbild – alles erinnert an jenes aus prosaischen und poetischen Elementen so reizvoll und so wunderlich gemischte Stück Zeit, das sein

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