Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Friedrich, mutmaßlich in den letzten Tagen des August 1731 (bis dahin hatte er die Festung Küstrin nicht verlassen dürfen) seinen ersten Besuch in Tamsel machte.
Es ist bekannt, daß der Prinz diesem ersten Besuche andere folgen ließ und alsbald in Beziehungen zu der schönen Frau von Wreech trat, die bis in die letzten Tage seines Küstriner Aufenthaltes hinein, also bis Ende Februar 1732, fortgesetzt wurden.
Die Frage drängt sich auf: Welcher Art waren diese Beziehungen? War es ein intimes Freundschaftsverhältnis, oder war es mehr? Die darüber herrschenden Anschauungen sind dem Rufe der Dame nicht allzu günstig gewesen; verschiedene Briefe jedoch, die der Kronprinz eben damals an Frau von Wreech richtete und deren Inhalt erst in neuester Zeit bekannt geworden ist, werden vielleicht imstande sein, die gäng und gäben Ansichten über diesen Punkt zu modifizieren. Diese Briefe, die sich jetzt im Besitz einer Urenkelin befinden, wurden von der letzteren in einem auf sie vererbten Berliner Hause zufällig aufgefunden, als ihr beim Ordnen von Papieren ein schon ziemlich vergilbtes Paket mit der kurzen Bezeichnung: »Papiers concernant la famille de Wreich« in die Hände fiel. Ein zweiter Umschlag führte die Aufschrift: »Lettres et vers de certain grand Prince«, woran sich, wie zu bestimmterer Bezeichnung des Inhaltes, die Worte reihten: »Lettres de Fréderic II. (comme Prince royal) à Mad. de Schoening et à sa fille Mad. de Wreich.«
Diese Briefe sind auf gewöhnlichem groben Schreibpapier und oft bis an den untersten Rand hin voll geschrieben; die Linien sind krumm, die Orthographie höchst mangelhaft, Zeit und Ortsangabe fehlen. Nur einer trägt das völlige Datum, und zwar den 5. September 1731. Doch ergibt sich aus dem Inhalt der Briefe mit Bestimmtheit, daß sie zwischen Ende August 1731 und Ende Februar 1732 geschrieben sein müssen.
Ihre Bedeutung ist in mehr als einer Beziehung nicht gering zu veranschlagen. Sie werfen zunächst ein ganz bestimmtes und sehr vorteilhaftes Licht auf die Art des Verhältnisses. So wenigstens erscheint es mir. Sollten aber auch die traditionell gewordenen Anschauungen über diesen Punkt nicht erschüttert werden, so geben uns diese Briefe doch immerhin einen Reichtum von Details und dadurch ein minutiöses Bild jener Tage.
Denn die »Frau von Wreech-Literatur«, wenn man uns diesen Ausdruck gestatten will, war bisher ziemlich knapp bemessen und beschränkte sich auf zwei Briefzitate, von denen das eine einem Briefe des Grafen Schulenburg an Grumbkow, wenn ich nicht irre, das andere einem Briefe Grumbkows an Seckendorf entnommen war. Beide sehr aphoristisch, und während Schulenburg einfach meldete: »Frau von Wreech sei sehr schön und habe einen Rosen- und Lilienteint«, sprach Grumbkow von einer »starken amour«, in die der Prinz verfallen sei, und fügte noch einige derbe Worte hinzu, die der König, gewissermaßen in Billigung und Gutheißung des Verhältnisses, geäußert haben sollte. Dies ist alles. Wohl sprechen die diplomatischen Klatschbriefe jener Tage von allerhand »Debauchen«, in die der Prinz verfallen sei, dieser Ausdruck aber bezieht sich ersichtlich nur auf sein Küstriner Leben überhaupt, nicht auf seine Tamseler Besuche. Ja, ich möchte weiter gehen und die Behauptung wagen, daß Tamsel damals die Kehrseite dieser Küstriner Tage gewesen sei, ganz geeignet, durch Sitte, Feinheit und Anstand ein Leben wieder zu regulieren, das solcher Regulatoren allerdings dringend bedürftig war.
Treten wir dieser Frage näher, so wird es geraten sein, sich zunächst, gestützt auf die Briefe des Kronprinzen, mit der Persönlichkeit und dem Charakter der Frau von Wreech zu beschäftigen. Haben wir diesen festgestellt, so haben wir viel gewonnen. Denn die Handlungen der Menschen sind im Einklang mit ihrem Sinn.
»Ein Teint wie Lilien und Rosen« schreibt Schulenburg und stellt mit Hilfe dieser wenigen Worte das Bild einer schönen Blondine vor uns hin; jung, heiter und blendend. Aber die Briefe des Kronprinzen geben uns mehr; sie durchgeistigen die schöne Gestalt. Frau von Wreech scheint sich Ausgangs November 1731, während der Vermählungstage der Prinzessin Wilhelmine, mit am Berliner Hofe befunden zu haben, und während dieser Tage ist es, daß der Kronprinz sich niedersetzt, um an Frau von Schöning, die mutmaßlich in Tamsel zurückgebliebene Mutter der Frau von Wreech, zu schreiben. »Madame«, so heißt es in diesem Briefe, »ich habe das
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