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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Aufhebens auch beim Wehrstande sein. Man war an solche Prozeduren gewöhnt und hielt die rauhe Behandlung der Soldaten für ganz in der Ordnung. Ja, die davon Betroffenen sahen es selbst derartig an und versagten ihren Vorgesetzten keineswegs ein gewisses Maß von Zuneigung, wenn sich nur Gerechtigkeit mit der Strenge paarte.
    In der Tat, unsere nachträgliche Beurteilung all dieser Dinge trifft nicht voll das Richtige, und um so weniger, wenn wir im Auge behalten, aus welchen Elementen sich die damalige Armee zwar nicht ausschließlich aber doch zu sehr erheblichem Teile zusammensetzte: rohe Gesellen, die nicht eins der zehn Gebote hielten, verlorene Söhne, deren Moral so weit reichte wie ihre Furcht, und Ausländer, die zu allem andern auch noch das Gefühl gesellten: was uns umgibt, sind Fremde oder Feinde.
    Ein Vorkommnis, das Heydemann erzählt, ist höchst charakteristisch für die Naturwüchsigkeit damaliger Zustände. Man führte Schäferspiele auf und schrieb Idyllen 42 , aber man war weder nervös noch sentimental. Die Geschichte selbst aber ist die folgende.
    Ein Soldat, ein heftiger, leicht aufbrausender Mensch, bewarb sich um die Gunst eines Mädchens, das in der Offizierküche diente. Sie lehnte seine Anträge, die ehrlich gemeint waren, ab. Eines Tages, als sie vom Bäcker gegenüber den für den Offiziertisch bestimmten Braten holte, trat der Soldat mitten auf dem Damm an sie heran und fragte: ob sie noch nicht entschlossen sei, ihn zu heiraten? »Nein.« Im selben Augenblick empfing sie einen Messerstich in den Hals. Sie ließ (auch charakteristisch) den Braten nicht fallen, schritt vielmehr weiter, setzte die Schüssel auf den Tisch und sank dann ohnmächtig zu Boden. Die Wunde war nicht tödlich, aber der Soldat, der sich inzwischen auf der Wache selbst gemeldet hatte, mußte auf Tod und Leben laufen. Er überwand die furchtbare Strafe und diente weiter, während das Mädchen nach Potsdam hin übersiedelte. Eben dahin kam auch der Soldat; ein Zufall fügte es so. Hier nun erneuerten beide ihre Bekanntschaft, Mordversuch und Gassenlaufen waren vergessen und vor dem Altar der Garnisonkirche besiegelten sie den Bund ihrer Herzen.
    Die Hauptvorkommnisse des Ruppiner wie jedes damaligen Garnisonslebens waren die Desertionen. Die ganze Bevölkerung, auch die der Nachbardörfer, wurde dabei in Mitleidenschaft gezogen. Ruppin erwies sich für etwaige Fluchtversuche sehr günstig, da mehrere mecklenburgische Gebietsteile derartig eingesprenkelt im Preußischen lagen und noch liegen, daß der Weg bis beispielsweise zur Enklave Netzeband hin kaum zwei Meilen betrug. Netzeband war gleichbedeutend mit Freiheit. In vielen hundert, um nicht zu sagen tausend Herzen hat sich damals alles Denken und Wünschen um die Frage gedreht: werde ich Netzeband erreichen oder nicht? Und alles, was sich nur ersinnen ließ, um das Desertieren unmöglich zu machen, ward infolge davon angewandt. Das Hauptmittel hieß Verheiratung. Der Arm der Frau hielt fester als der Arm des Gesetzes. Aber nicht jeder wollte heiraten. Da galt es denn andere Sicherheitsmaßregeln ausfindig zu machen. Nicht nur durchstreiften Patrouillen die Stadt während der Nacht, sondern auch Unteroffiziere gingen von Haus zu Haus und riefen die in Bürgerquartier liegenden Soldaten an, um sich zu überzeugen, daß sie noch da seien Wurde aus diesem oder jenem Grunde dem Anruf nicht geantwortet, so blieb nichts anderes übrig, als den Wirt zu wecken und an die einzelnen Schlafstellen heranzutreten. Erwiesen sich aber all diese Mittel umsonst und war es dem einen oder anderen nichtsdestoweniger gelungen zu entkommen, so ward eine Kanone, die draußen am Wall stand, mehrere Male abgefeuert. Man konnte die Schüsse in Katerbow, einem dicht vor Netzeband gelegenen preußischen Dorfe, hören. Was Friedrich der Große von ganz Preußen gesagt hat, »es müsse immer en vedette sein«, das galt doppelt und dreifach von Katerbow. An Katerbow hing viel. Es war für den Flüchtling, die »letzte Gefahr«, und erst wenn er diese glücklich hinter sich hatte, war er frei. In Ruppin selbst aber ließ man es nicht bei den Alarmschüssen bewenden, die Deserteurglocke auf der Klosterkirche wurde geläutet, und entdeckte man die Stelle, wo der Entronnene über die Mauer gestiegen war, so verfielen die beiden zunächststehenden Schildwachen ebenfalls der Strafe des Gassenlaufens.
    Ums Gassenlaufen – fast noch über das Desertieren hinaus – drehte sich ein gut Teil des

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