Wanderungen durch die Mark Brandenburg
allgemeinen Interesses. Es gehörte, wie die Hinrichtungen, zu den derberen Volkslustbarkeiten. Das Bedürfnis nach Sensation, das jetzt in »Armadale« oder in dem »Vermischten« unserer Zeitungen seine Nahrung findet, fand damals in den Hergängen des Lebens selbst seine Befriedigung. Es liegen uns ganz minutiöse Schilderungen vor, wie nun die Prozedur eingeleitet und seitens des Profoses die von ihm geschnittenen Ruten – um derentwillen er der »Regiments-Federschneider« hieß – an die in der Gasse stehenden Soldaten verteilt wurden. Aber wir leisten auf Wiedergabe dieser häßlichen Dinge Verzicht und erfreuen uns lieber an humoristischen Zügen, die nicht minder aus den Zeiten jenes militärischen Terrorismus berichtet werden. Aus allen geht hervor, daß man nicht sonderlich eingeschüchtert war und immer noch Muße fand zu Übermut und guter Laune. Selbst zu Wortspielen.
Einer der Soldaten hieß Winter. Es war um die Zeit, wo das Tauwetter begann, und die Eiszapfen schmolzen bereits an den Dächern. Winter, der sich schlüssig gemacht hatte, die nächste Nacht zu entspringen, sah seinen Hauptmann im Fenster liegen, der sich, rauchend, der Märzensonne freute. Winter grüßte hinauf und rief: »Herr Hauptmann, ich glaube der Winter geht ab.« »Das glaub ich auch.« Und am anderen Morgen war Winter fort. Er war über den gefrorenen See nach Wuthenow hin entkommen.
Ein anderer verkleidete sich als Schornsteinfeger. In rußiger Kleidung, eine schwarze Leiter auf der Schulter, den Besen in der Hand, war er glücklich zum Tor hinausgekommen und schritt geradewegs auf das Mecklenburgische zu. Da kam ihm, zu weiterem Glück, ein Netzebander Bauer nachgefahren und fragte: »Schornsteinfeger wohin?« »Nach Netzeband, da brennt ein Schornstein, den ich löschen soll.« »Das ist am Ende bei mir.« »Kann wohl sein.« Und der Bauer ließ nun den vermeintlichen Schornsteinfeger aufsteigen und jagte auf Netzeband zu, wo sich der Gerettete für gute Fahrt freundlich bedankte.
Sehr ansprechend ist die folgende kleine Geschichte, mit der wir diesen Teil des Kapitels schließen wollen. Ein Mann, der später als Lehrer und Oberküster eine bekannte Persönlichkeit in Neu-Ruppin war, gehörte in seiner Jugend ebenfalls dem Regiment Prinz Ferdinand an. Er war verlobt und wünschte sich zu verheiraten, da man aber (weil er zu den Bevorzugten zählte) seines Bleibens im Regiment ohnehin sicher zu sein glaubte, wurde ihm seitens des Obersten der unerläßliche Konsens verweigert. Die Folge davon war: Desertion. Und so schritt denn unser Freund auf Netzeband zu und hatte den halben Weg bereits glücklich zurückgelegt, als er das Prusten von Pferden hinter sich hörte und gleich darauf einen Wagen neben sich sah, in dem, in höchsteigener Person, der gestrenge Herr Oberst saß. Wohin? fragte dieser. »Nach Netzeband; ich will mir Tuch kaufen.« »Da will ich auch hin; setz Dich nur auf den Bock.« Und so fuhr denn der Oberst den Deserteur nach Netzeband hinein. Als sie vor dem Kruge hielten, sprang der Soldat vom Wagen, trat an den Kutschenschlag und sagte: »Herr Oberst, ich melde mich als Deserteur.« Der Oberst wetterte nun durch alle Register durch, legte sich aber endlich aufs Kapitulieren. »Was hilfts! stell deine Bedingungen.« »Generalpardon, Herr Oberst, und den Konsens zu heiraten.« »Beides sollst du haben; steig nur wieder auf.« Und so geschah es. Er kam mit seinem Obersten, als ob nichts vorgefallen wäre, nach Ruppin zurück, und empfing, ohne vorgängige Strafe, die gewünschte Heiratserlaubnis.
Das Regiment Prinz Ferdinand
bei Auerstedt, 14. Oktober 1806
Der Krieg gegen Frankreich war endlich beschlossene Sache. Am 9. August erging die Mobilmachungsorder, und am 31. August verließ das Regiment Prinz Ferdinand Neu-Ruppin, um es nicht wiederzusehen. Nur Individuen kehrten zurück, kein Regiment.
Der Marsch ging zunächst auf Magdeburg, das samt Umgegend den Sammelplatz für die märkischen und magdeburgischen Truppen bildete. Der Herzog von Braunschweig, in seiner Eigenschaft als Oberkommandierender, verlegte am 13. September sein Hauptquartier nach Halle und setzte die bei Magdeburg versammelten Truppen, und unter diesen auch unser Regiment Prinz Ferdinand, am 15. auf Naumburg zu in Bewegung. Am 21. und 22. wurden bei letztgenanntem Orte die Kantonierungen bezogen.
Die Hauptarmee, 57000 Mann stark, bestand aus den Divisionen Schmettau, Wartensleben und Prinz von Oranien und aus einer
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