Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow
geworden sind, den guten und ihnen bequemen Ruf der Armut durch eine gewisse Passivität geschickt aufrechtzuerhalten wissen, so auch die Teupitzer. Solche vielbedauerten »kleinen Leute« leben glücklich-angenehme Tage, und unbedrückt von den Mühsalen der Gastlichkeit oder der Repräsentation, lächeln sie still und vergnügt in sich hinein, wenn sie dem lieben alten Satze begegnen, daß »geben seliger sei denn nehmen«.
Um zwölf Uhr nachts geht oder ging wenigstens die Post, die die Verbindung zwischen Teupitz und Zossen und dadurch mit der Welt überhaupt unterhielt. Zossen ist der Paß für Teupitz: »es führt kein andrer Weg nach Küßnacht hin«.
Während der ersten anderthalb Meilen haben wir noch Chaussee, deren Pappeln, soviel die Mitternacht eine Musterung gestattet, nicht anders aussehen als andernorts, und erst bei Morgengrauen biegen wir nach links hin in die tiefen Sandgeleise der recht eigentlichen Teupitzer Gegend ein. Es ist ein ausgesprochenes Heideland, mehr oder weniger unsern Wedding-Partien verwandt, wie sie vor hundert oder auch noch vor fünfzig Jahren waren. Selbst die Namen klingen ähnlich: »Sandkrug«, »Spiesberg« und »der Hungrige Wolf«. Immer dieselben alten und wohlbekannten Elemente: See und Sand und Kiefer und Kussel; aber so gleichartig die Dinge selber sind, so apart ist doch ihre Gruppierung in dieser Teupitzer Gegend. Die Kiefer, groß und klein, tritt nirgends in geschlossenen Massen auf, nicht en colonne steht sie da, sondern aufgelöst in Schützenlinien. Und die Dämmerung unterstützt diese Vorstellung eines Heerlagers. Auf der Kuppe drüben stehen drei Vedetten und lugen aus, am Abhang lagert eine Feldwacht, und eine lange Postenkette von Kusseln zieht sich am See hin und reicht einem andern Lagertrupp die Hand. Dazwischen Sand und Moos und dann und wann ein Ährenfeld, dünn und kümmerlich, ein bloßer Versuch, eine Anfrage bei der Natur.
Inzwischen ist es am Horizont immer heller geworden. Das Grau wurde weiß, das Weiß isabell- und dann rosenfarben, und nun schießt es wie Feuerlilien auf. Der Sand verschwindet, Wasser- und Morgenkühle wehen uns an, und während der Sonnenball hinter einem alten Schloßturm aufsteigt, fahren wir in die noch stille Straße von Teupitz ein.
Der Wagen hält vor dem »Goldnen Stern«, an dessen Laubenvorbau der Wirt sich lehnt, seines Zeichens ein Bäcker. Ich nehm es als eine gute Vorbedeutung, denn unter allen Gewerksmeistern steht doch der Bäcker unserm innern Menschen am nächsten. Er weist mich auch freundlich zurecht; ein Lager ist leicht gefunden und dem Müden noch leichter gebettet. Durch das Gazefenster zieht die Luft, die Akazie draußen bewegt sich hin und her, und die Tauben auf dem eingerahmten Geburtstagswunsch am Bettende werden immer größer. Und nun fliegen sie fort, und – meine Träume fliegen ihnen nach.
Aber nicht auf lange. Das Picken des Nagelschmieds von der Ecke gegenüber weckt mich, und während die Frühstücksstunde kommt und die braunen Semmeln neben die noch braunere Kanne gestellt werden, setzt sich die »Sternen«-Wirtin zu mir und unterhält mich von Teupitz und dem Teupitzer See.
»Ja«, so sagt sie, »was wäre Teupitz ohne den See. Wir wären längst ein Dorf, wenn wir das Wasser nicht hätten. Freilich, wir dürfen nicht mehr drin fischen, die Fischereigerechtigkeit ist verpachtet, aber das Wasser ist uns mehr als alles, was drin schwimmt. Mit gutem Winde fahren wir in sechs Stunden nach Berlin, und alles, was wir kaufen und verkaufen, es kommt und geht auf dem See. Wir bringen keine Fische mehr zu Markte, denn wir haben keine mehr, aber Garten- und Feldfrüchte, Weintrauben und Obst und Holz und Torf. Das gibt so was wie Handel und Wandel, mehr, als mancher denkt, und mehr, als wir selber gedacht haben. Große Spreekähne kommen und gehen jetzt täglich, das machen die neuen Ziegeleien. Überall hier herum liegt fetter Ton unterm Sand, und wenn Sie nachts über Groß Köris hinaus bis an den Motzner See fahren, da glüht es und qualmt es rechts und links, als brennten die Dörfer. Ofen und Schornsteine, wohin Sie sehen. Meiner Mutter Bruder ist auch dabei. Er wird reich, und alles geht nach Berlin. Viele hunderttausend Steine. Immer liegt ein Kahn an dem Ladeplatz, aber er kann nicht genug schaffen, so viel, wie gebraucht wird. Ich weiß es ganz bestimmt, daß er reich wird, und andere werden's auch. Aber daß sie's werden können, das macht der See .«
Die »Stern«-Wirtin
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