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Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Köpenick aus ein reizender Spaziergang durch den Wald führt 1) , ist Leuchtturm, Fischerwohnung und Fährhaus zugleich, aber vor allem ist sie doch Gasthaus . Sie ist es nach jenem überall hervortretenden Gesetze, welches in unwirtbaren Gegenden ein jedes einzeln stehende Haus zum Gasthause macht. Die oft angerufene und oft gewährte Hülfe führt schließlich dazu, die Hülfe zu einem Geschäft zu machen. So auch die Müggelbude. Freilich ist es ein wild-verwogenes Geschlecht, das hier anpocht, um Unterkommen oder Hülfe zu finden, und der Fährmann, der erfahren haben mag, daß uns das Unglück nicht bloß zu seltsamen Schlafkameraden führt, sondern uns auch umgekehrt ebenso seltsame Schlafkameraden bringt , hat wohlweislich Vorkehrungen getroffen, um sein eigentliches Haus vor ihnen sicherzustellen. Seine Müggelbude repräsentiert ein »Gasthaus erster Klasse«; für die Unbekannten und Schlechtlegitimierten aber hat er abwärts auf dem untersten schmalen Uferstreifen eine Art Schifferghetto aufgeführt. Hier, auf einem Terrain, das sich See und Sand beständig streitig machen, erheben sich flachgewölbte Holzhütten, die sich bei näherer Besichtigung als ausrangierte Schiffskajüten erweisen. Durch die halb offenstehende Tür gewinnt man Einblick in das Innere derselben: auf vier hohen Pfosten ruht ein roh zusammengenagelter Kasten, groß genug für zwei oder drei Schläfer und mit nichts ausgestattet als mit etwas niedergelegenem Stroh. Das ist alles, was die Gastlichkeit der »Dépendance« der Müggelbude bietet. Und doch muß es hier ein wunderbares Schlafen sein, wenn in Winternächten die glitzernden Sterne durch die halbhandbreiten Ritzen in dies Schlafgemach hineinblicken und der See, als woll er sich warm schlagen, seine Wellen bis an die hochaufgezimmerte Bettlade treibt. Schade nur, die Schifferknechte, die hier einen Unterschlupf suchen und finden, sind wohl die letzten, sich dieses Zaubers zu freun.
    Die Müggelbude steht hoch, ihr zu Füßen aber zieht sich ein Sandgürtel, der, nach vorn hin aufs neue steil abfallend, den See in seiner ganzen Ausdehnung umzirkt. Auf diesem Sandgürtel nehmen wir Platz, und eine knorrige Kiefer im Rücken, deren vorgebeugter Schirm schon halb über dem Wasser schwebt, sitzen wir jetzt auf einer Art Moos- oder Erdbank und blicken auf die weite Wasserfläche hinaus, die, leise brandend, ihre Wellchen bis unter unsre Füße schickt. Der See gleicht hier einem Haff, und sooft die Wellen zurückrinnen, blinken die weißen Muscheln, die das bewegte Wasser ans Ufer geworfen.
    Es freut das Herz, so an der Müggel zu sitzen und, die leise Musik von Wald und Wasser um sich her, die Stunden zu verträumen. Die Sonne sinkt, und das Bild, das beim ersten Anblick, aller eigentümlichen Schönheit unerachtet, eine gewisse Monotonie zeigte, gewinnt mehr und mehr Gewalt über uns und spinnt uns in den alten Müggelzauber ein. Die Kähne mit ihrer weißen Kalksteinladung, deren aufgeschichtete Blöcke das Kajütendach in ein kleines Kastell verwandeln, ziehen geräuschlos vorüber, die Dächer des gegenüberliegenden Rahnsdorf glühen noch einmal auf, und der See selber wechselt von Minute zu Minute seine Stimmung und seine Farbe. Aber mit halbem Auge nur verfolgen wir das Farbenspiel; unser Auge richtet sich immer wieder nach rechts hin, wo die Müggelsberge steil aufsteigen und ihre wachsenden Schatten bis weit in den See hinein werfen. Ein dünner Nebel zieht um den Berg, und wenn es dann und wann aufblitzt, fahren wir zusammen und blicken nach der Prinzessin aus, der zweiten Prinzessin dieser Gegenden, von der es heißt, sie käm allabendlich mit vier goldfarbenen Pferden von den Müggelsbergen herab, um die Durstigen im See zu tränken. Sie kommt freilich nicht , und auch der große Heuwagen bleibt aus, der, von vier weißen Mäusen gezogen, der Prinzessin entgegenfährt, um ihr den Weg zu sperren, aber eingewiegt in phantastisches Träumen, könnte jetzt eine ganze Zauberwelt vor uns ausgeschüttet werden, wir würden ihre Wunder ohne Verwunderung entgegennehmen. Die Müggel und ihre Ufer sind Märchenland.
    Noch einmal fährt ein Glutstreifen über den See; nun aber schwindet die Sonne, beinah plötzlich bricht die Dämmerung herein, und bleifarben liegt die weite Wasserfläche da. In seiner Mitte beginnt es wie ein Kreisen, wie ein Quirlen und Tanzen; sind es Nebel, die aufsteigen? oder sind es die alten Müggelhexen, die lebendig werden, sobald das Licht aus der Welt

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