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Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg 4. Spreeland.: Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Gleichviel, bis hierher reichten die Heidelberger Beziehungen, und – terra firma war wieder unter seinen Füßen.
    Noch im selben Jahre, Herbst 1868, ging er, behufs Absolvierung seines Militärjahres, in die Heimat zurück. Er trat bei den Fürstenwalder Ulanen ein. Das kavalleristische Leben, das Reiten und Pistolenschießen, das Straffe des Dienstes und daneben die kecke, mit der Gefahr spielende Ungebundenheit der freien Stunden, das alles entsprach so recht dem Hange seiner Natur. Kein Wunder also, daß er am Schluß seines Volontairjahres erklärte, das Rechtsstudium aufgeben und die Frische des Daseins weiter genießen zu wollen. Er blieb Soldat, trat von den 3. (Fürstenwalder) zu den 4. (Schneidemühler) Ulanen über, machte seine Avantageurzeit durch und war bei Ausbruch des Siebziger Krieges Fähnrich im letztgenannten Regiment. Anfänglich bei der Ersatzschwadron verblieben, traf er erst am 15. September in der Metzer Zernierungslinie ein, machte Anfang Oktober eins der im Norden stattfindenden Gefechte mit, zeichnete sich durch Bravour aus und sollte am 16. Oktober vor der Front belobt und zum Offizier ernannt werden, als auf den Anruf des Regimentskommandeurs: »Fähnrich Anderssen!« die Antwort gegeben werden mußte: »Fehlt seit gestern«. Jener Schritt war geschehen, der nicht mehr zurück getan werden konnte und mit dem Tode endete. Im übrigen sei dem noch zu Erzählenden voraufgeschickt, daß er auch hier wieder auf dem Punkte stand, der leichtsinnig heraufbeschworenen Gefahr, voll echten Spielerglücks, zu entgehen. Eine Bagatelle entschied schließlich zu seinen Ungunsten. Hören wir, wie.
    Das Regiment lag mit einigen Eskadrons in Garsch, zwischen Metz und Thionville. Hier befand sich auch Anderssen, der in dem Hause des Maires ein gutes Quartier gefunden hatte. Auch ein angenehmes, denn er stand auf bestem Fuß mit dem Wirt und allen Insassen des Hauses, besonders mit den Kindern, mit denen er, gütig und lebhaft, wie er war, zu spielen und zu scherzen liebte. Am 15. Oktober fuhr Mr. Bauer (Name des Maires) mit einem leichten Ackerwagen aus seinem Gehöft auf die Dorfstraße, und unsres Fähnrichs ansichtig werdend, der, rittlings auf einem Reisigbündel sitzend, eben Spielzeug für die Kinder schnitzte, rief er demselben zu:
    »Wollen Sie mit?«
    »Wohin?«
    »Thionville.«
    »Gewiß!«
    Ehe zwei Minuten um waren, hatte der Angerufene, mit der ihm eigenen Raschheit des Entschlusses, die Kleider gewechselt und fuhr nun in blauer Blouse, neben seinem Quartiergeber sitzend, plaudernd und rauchend auf Thionville zu. Ohne Aufenthalt oder Schwierigkeit ging es über die Festungsbrücke fort in das Tor hinein, bis der Wagen inmitten der Stadt vor dem vielbesuchten Café Luxembourg hielt. Das Publikum desselben, so wenigstens haben später eingezogene Erkundigungen ergeben, scheint unsern Anderssen gleich von Anfang an in seiner Verkleidung erkannt, an dieser Entdeckung aber nicht den mindesten Anstoß genommen zu haben. Im Gegenteil. Mit Vorliebe wandte man sich ihm zu, eine Mitteilung, die alle diejenigen am wenigsten überraschen wird, die persönlich in der einen oder andern Eigenschaft auf dem Kriegsschauplatz anwesend waren. Denn gerade diese werden aus eigener Anschauung wissen, daß Heitres und friedlich Freundliches beständig in den furchtbaren Ernst des Krieges hineinwuchs und nur allzuoft in geradezu verführerischer Weise den einen oder andern Teil vergessen lassen konnte: dort steht dein Feind. Die Vorposten beispielsweise lebten sich kameradschaftlich miteinander ein, tranken sich zu, erwiesen sich kleine Dienste, bis dann plötzlich wieder – oft launenhaft und nach dem Voraufgegangenen durchaus unmotiviert – eine Gewehrsalve dazwischenfuhr und die Situation aufs neue klarlegte. So ähnlich scheinen die Dinge an jenem 15. Oktober auch in Thionville verlaufen zu sein. Der Nachteil, der der Stadt aus einem mit scharfem Appetit frühstückenden und mit der dame du comptoir lebhaft plaudernden Prussien erwachsen konnte, war gering, der Vorteil aber lag auf der Hand, denn man hörte doch dies und das und sah das ewige Einerlei der Tage durch einen Zwischenfall unterbrochen, der in seinem keck-abenteuerlichen Aufstutz nur um so unterhaltender wirkte. Die Nachrichten hierüber mögen nicht in allen Stücken zuverlässig sein, aber soviel wenigstens wird mit Bestimmtheit erzählt, daß die Café-Luxembourg-Gäste, unter scherzhaftem Hinweis auf seine Blouse, unsrem Fähnrich

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