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Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin

Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg, 8 Bde., Bd.1, Die Grafschaft Ruppin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Gotthard Erler , Rudolf Mingau
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mit Humor und Originalität oder aber andererseits mit Mut und Gesinnung paart, erobert sie die Herzen. Mannigfach sind die Anekdoten, die darüber im Schwange gehen. Reilstab, damals auf der Höhe seines Ruhmes, kam nach Ruppin, um seine Schwester zu besuchen. Er erschien zu Fuß und bat in Michel Protzens Gasthaus um ein Zimmer. »Mein Gasthof ist nicht für Leute mit Ränzel und Regenschirm.« Und bei anderer Gelegenheit vor Gericht zitiert und in Gegenwart des Klägers zu zwei Taler Strafe verurteilt, weil er sich an diesem, einem Klempnergesellen, mit einer Ohrfeige vergriffen hatte, applizierte er demselben sofort eine zweite und zahlte vier Taler.
    Ein Mann von solchem Gefüge war selbstverständlich nicht nur in aller Mund, er gab auch den Ton an. Wenn über Nacht der erste Schnee gefallen war, stellte er sich am andern Morgen an die Ecke seines Gasthauses und weckte die Stadt durch das weithin schallende Knallen seiner Schlittenpeitsche. Dann dehnte sich der Ruppiner und sagte: »Jetzt ist Schlittenzeit.« Aber noch eh er den seinigen aus der Remise schaffen und die mageren Braunen einspannen konnte, fuhr schon Michel Protzen mit Schneedecken und Schellengeläute durch die breiten Straßen der Stadt an ihm vorüber.
    Ganz und gar eine deutsche Figur, in vielem ein Landsknechthauptmann vom Wirbel bis zur Zeh, besaß er auch den tief im germanischen Wesen liegenden Zug zum Hasard. Wie unsre Ururväter spielte er um all und jedes, und nur das Ganze setzte er nicht ein, nicht Freiheit und Leben. Piquet und Whist en deux zählten zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, und wenn sein Gegner um den Einsatz verlegen war, ging es, je nach Laune und Zahlungsmöglichkeit, um Klafter Holz und Gänse.
    Er war populär, aber nicht eigentlich beliebt. Um beliebt zu sein, dazu war er zu gefürchtet. Niemand war sicher vor ihm, denn sein Mund und seine Hand (wie schon an einem Beispiele gezeigt) waren gleich schlagfertig. Dazu gebrach's ihm an Gebelust, an jener Generosität, auf die hin die Schlagfertigkeit unter Umständen schon etwas sündigen kann. Gelegentlich war er nicht ohne Gutmütigkeit, aber sie glich bloßen Anfällen wie von Gicht oder Podagra. Wie alle Despoten war er launenhaft.
    Die letzten Jahre seines Lebens söhnten mit manchem aus. Im März 1848 stand er fest zu König und Gesetz. Er hatte vom Spießbürgertum zu viel gesehen, als daß er sich von der Herrschaft desselben eine »neue Ära« hätte versprechen können. Er lachte und – war gröber denn zuvor.
    So kam der Dezember 1855. Eines Morgens lief es durch die Stadt: Michel Protz ist tot. Das halbe Ruppin folgte, und das ganze hat ihm in den Jahren, die seitdem vergangen sind, ein huldigendes Andenken bewahrt. Was verletzte, ist vergessen, was gefiel, ist in dankbarer Erinnerung geblieben. Er erinnert in manchem an Schadow, in anderem an Geist von Beeren; denn auch darin war er deutsch, speziell norddeutsch, daß sein ganzes Wesen mit Schabernack und Till-Eulenspiegelei durchsetzt war.
    Das Grabdenkmal, das ihm auf dem »alten Kirchhof« errichtet wurde, gibt die einfachen Daten seiner Geburt und seines Todes.
    Ein gutes Portrait von ihm befindet sich in Händen des Kaufmann Kunz.
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9. Gustav Kühn
    »Bei Gustav Kühn
In Neuruppin.«

     
    In der Mitte der Stadt, gegenüber dem Häuserviereck, darin Schinkel und Günther und auch der Held unseres letzten Kapitels: Michel Protzen, das Licht der Welt erblickten, erhebt sich ein kleines, nur drei Fenster breites Häuschen, dem ein neu aufgesetztes Stockwerk nur wenig zu gesteigertem Ansehen verhilft. Auf dem schmalen Hofe des Häuschens aber drängen sich die Hintergebäude, und jeder Zollbreit Erde ist benutzt. Hier erinnert die Beschränktheit und zu gleicher Zeit die sorgliche Ausnutzung des Raums an den Geschäftsbetrieb englischer Zeitungslokalitäten. Aber was sind die Londoner Blätter im Vergleich zu jenen kolorierten Blättern, die aus dieser kleinen Ruppiner Offizin hervorgehen? Was ist der Ruhm der »Times« gegen die zivilisatorische Aufgabe des Ruppiner Bilderbogens? Die »Times«, die sich mit Recht das »Weltblatt« nennt, gleicht immer nur dem anglikanischen Geistlichen, dem hochkirchlichen Bischof, der, an schmalen Küstenstrichen entlang, in den großen, reichbevölkerten Städten der andern Hemisphäre seine Wohnung aufschlägt und seines Amtes waltet, der Gustav Kühnsche Bilderbogen aber ist der Herrnhutsche Missionar , der überallhin vordringt, dessen Eifer mit der

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