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Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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versuchten, wurden niedergeschlagen, und man muß einräumen, daß die Sache nicht nur ein verdächtiges Ansehen, sondern auch manches um und an sich hatte, was die Annahme mehr oder weniger direkt zu unterstützen schien. Die Vorgänge in Prag, das Kriegsgericht, die Ungnade des Königs waren Tatsachen; in das Kirchenbuch der Garnisonkirche war sein Tod nicht eingetragen. Was aber schwerer als alles andere ins Gewicht fiel und dem Verdacht, von ganz anderer Seite her, Nahrung zuführte, war der Umstand, daß das Ländchen Bärwalde (damals noch eine preußische Enklave im Kursächsischen) Einsiedelscher Besitz war und bei allen Schwarzsehern und Geheimniskrämern alsbald die Frage anregte: ob nicht, mit Rücksicht auf die Lage dieses Besitzes, ein Einverständnis von Einsiedels mit dem sächsischen Hofe angenommen werden müsse. Solche Frage, einmal angeregt, wurde selbstverständlich immer bestimmter mit »Ja« beantwortet, und in Potsdam, wie im Ländchen Bärwalde selbst, herrschte zu Anfang dieses Jahrhunderts nicht der geringste Zweifel mehr. Generallieutenant von Einsiedel war und blieb »heimlich enthauptet«, und die Bärwalder steigerten sich bis zu der grotesken Vorstellung, »daß das Haupt, um die Hinrichtung auch im Tode noch zu kaschieren, auf höchst sinnreiche Weise an dem steifen Uniformkragen (den es damals gar nicht gab) befestigt worden sei«. Gegen all diese Annahmen war nichts zu machen. Die heimlich bestrafte Untat hatte ein siegreich romantisches Interesse, während der Gegenbeweis prosaisch und undankbar war.
    Und doch kam die Zeit, wo er geführt werden mußte. Friedrich Wilhelm IV., der in der immer wieder angeregten Frage endlich klarsehen wollte, gab dem General Kurd von Schöning Auftrag: »die Sache ins reine zu bringen«. Die Resultate dieser Untersuchung liegen nun vor.
    Es sind zunächst zwei Aufzeichnungen, zwei Dokumente, die den Gegenbeweis übernehmen. Das erste derselben ist eine Zessionsurkunde, eine gerichtliche Konvention, worin der Einsiedelschen Familie der Besitz des Ländchens Bärwalde zugesichert wird. In dieser Konvention vom 7. Oktober 1745, die also nur sieben Tage vor dem Hinscheiden des Generals von diesem selber ausgestellt wurde, nennt er sich: Seiner Königlichen Majestät wohlbestallter Generallieutenant, Oberst über ein Bataillon Grenadiergarde , Erbherr zu Bärwalde etc., woraus ersichtlich, daß die Ungnade des Königs keine besonders strenge und bedrohliche gewesen sein kann. Dieser würde sonst unzweifelhaft, vor Aufbruch und Rückkehr der Truppen, einen andern Chef des Gardebataillons ernannt und den Namen von Einsiedels gestrichen haben.
    Das zweite, wichtige Dokument ist das Kirchenbuch zu Meinsdorf, im Ländchen Bärwalde, in dem wir von der Hand des damaligen Pfarrers Presso folgende Aufzeichnungen finden: »... Gedachter Herr Generallieutenant von Einsiedel ist gestorben zu Potsdam den 14. Oktober 1745, früh acht Uhr, im siebenundfünfzigsten Jahre; den 16. ist er im Erbbegräbnis zu Wiepersdorf beigesetzt worden. Den 30. Januar 1746 ist ein feierliches Leichenbegängnis gehalten, der Paradesarg von der Reinsdorfer Grenze eingeholt und die Leichenrede vom Herrn Hofprediger Osfeld aus Potsdam gehalten worden.«
    Für die absolut Ungläubigen reichte freilich auch dieses Dokument nicht aus. Dieselben entnahmen aus dieser Pressoschen Kirchenbuchnotiz weiter nichts als die Beisetzung in Wiepersdorf (statt der Verscharrung im Keller), wohingegen der Beweis, daß dieser beigesetzte von Einsiedel kein zuvor Enthaupteter gewesen sei, immer noch erübrigte.
    Auch diese letzte Burg der Romantik mußte zerstört werden.
    Es gab nur einen Weg. Man stieg in die Gruft hinunter, der Sarg wurde geöffnet, in welchem der General von Einsiedel wohlerhalten lag. Eine Art Mumifizierung, wie in so vielen Grüften der Mark, war eingetreten. Der Körper erwies sich völlig unversehrt, derart, daß er sich am Kopf in die Höhe heben ließ . Eine Trennung von Haupt und Leib hatte also nicht stattgefunden.
    Auch dieser »heimlich Enthauptete« der Volkssage war uns also genommen.
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    Ebendies Einsiedelsche Haus hatte, vielleicht aus derselben oder vielleicht auch erst aus späterer Zeit stammend, ein Holzbildwerk an seiner schrägen Eckfront, den Diogenes in der Tonne darstellend. In den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts verschwand es, wurde später unter altem Gerümpel entdeckt, wiederhergestellt und aufs neue an seinem alten Platz befestigt, wo es sich

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