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Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sich durch die Brust geschossen.
    Auf einer Bahre trugen sie ihn hinein. Er schien ein Sterbender. Aber die Jugend war stärker als der Tod. Drei Jahre lang lag er im Lazarett, die Kugel hatte ihm ein Stück Tragband mit in die Lunge gejagt; dann stand er auf und war ein genesener Mann. Kein Mensch in Potsdam sprach von dem, was vorher gegangen war; in Mitleid war jede andere Betrachtung untergegangen; jeder hatte ein tiefes Mitgefühl für den Mann von Ehre, der die leise Schuld, die ihn traf, mit seinem Blute bezahlt hatte. Er verließ das Lazarett und wurde Förster in der Pirschheide. Hier, wo die Lichtung ist, dort stand sein Haus.
    Das Trauerspiel war aus; das Idyll begann. Er schloß eine glückliche Ehe, und ehe zehn Jahr ins Land gegangen waren, war er eine ›Figur‹ in Havelland und Zauche. Er trat wie ein Sonnenschein in jeden Kreis; jedes Gesicht wurde heiterer, die Kinder liefen ihm entgegen und reichten ihm die Hand. Er hatte die glücklichste Mischung: einen festen Sinn und ein freundliches Herz.
    So lebte er in unserer Mitte, unseres Dorfes Stolz, sich und anderen zur Freude. Aber er sollte nicht zu hohen Jahren kommen. Eines Morgens – alle Dächer lagen in Reif, und die Sonne stand wie eine rote Kugel über den Bäumen –, da lief es von Haus zu Haus: ›Schupke ist tot.‹ Es war nur allzu wahr.
    Er hatte einen eigenen Tod gehabt. Einen etwas engen Stiefel mit Gewalt anziehend, war eines der vernarbten Blutgefäße wieder geplatzt, und der Erguß in die Lunge hatte seinem Leben ein Ziel gesetzt.
    Drei Tage später haben wir ihn begraben. Keiner fehlte. Es waren herzliche Tränen, die auf sein Grab fielen. Die Pirschheide hatte keinen bessern Mann gesehen.«
    So erzählte unser Führer. Die Sonne war inzwischen untergegangen; wir gaben unsern Lukenplatz auf und stiegen hinunter . Ein weißer, kaum fußhoher Nebel zog über den Kirchhof hin und hüllte die Gräber ein; aber die Kreuze ragten hell darüber hinaus, und auf der goldenen Inschrift des einen lag es wie ein letzter Schimmer.
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Neu Geltow
    Seit drei Menschenaltern schöpft ihr
Aus dem Meere dieser Weisheit;
Habt ihr keinen Tropfen, laßt mich
Wissen trinken, denn mich dürstet.
    Scherenberg
(»Der letzte Maurenkönig«)

     
    Es dämmerte, und die ersten Sterne zogen blaß herauf, als wir unsern Heimweg antraten. Unser Spezialführer auf dem Alt-Geltower Kirchhof blieb zurück. Welche Gegensätze hatten eben zu uns gesprochen! Ein gelehrter, bienenfleißiger Sammler; ein Lebemann, »der die Bibliothek seines Vaters in den Keller trug«, und als dritter ein Parkhüter, der in den Bäumen seines Wildparks so gut Bescheid wußte wie sein Nachbar in seinen Büchern. Ein schlichtes Dasein, diese Parkhüterexistenz, und doch war der blutige Ernst des Lebens erschütternder an sie herangetreten als an das Leben dessen, der im Granatregen von Giurgevo spazierengegangen war und dreizehn Duelle als Gesandter in Rio auf einmal kontrahiert hatte.
    So plauderten mein Gefährte und ich, bis die wechselnde Szenerie unserm Gespräch eine andere Richtung gab. Wir hielten immer noch die Dorfstraße inne; aber das Dorf selbst schien ein anderes geworden, und in der Tat waren wir aus Alt  Geltow in Neu  Geltow hineingeraten. Der Unterschied war so groß, daß er sich uns aufdrängen mußte. Der dörfische Charakter hatte aufgehört, Sommerhäuser waren an seine Stelle getreten; klein, einstöckig, aber von großer Sauberkeit und überall da, wo ein Vorgarten war oder wo sich Caprifolium- und Rosenbüsche um Tür und Fenster zogen, voll Anmut und malerischem Reiz. In Front der Häuschen standen gedeckte Tische: Cabarets, Fruchtschalen, mit Erd- und Himbeeren gefüllt, Milchsatten und geriebenes Schwarzbrot, während in der Mitte der dichtbesetzten Tafel ein Teeapparat und eine Milchglaslampe aufragte, deren Flamme ohne jegliches Flackern brannte. Denn kein Luftzug ging. Dies Bild wiederholte sich von Haus zu Haus, und ihre Gesamtheit erinnerte mich lebhaft an kleine Ostsee-Badeörter, wo an Juliabenden die Binnenländischen von Spree und Havel in Front der Schiffer- und Lotsenhäuser sitzen und sich an Blaubeeren mit Milch erlaben, während irgendeine Flagge oder ein roter Wimpel von dem Frontgiebel des Hauses niederhängt.
    Die Szenerie dieselbe, aber nicht die Menschen. Während in jenen Badeörtern das Weibliche prävaliert und die scharf akzentuierten Laute, die jetzt Agathen und Elisen, jetzt Helenen und Clementinen zur Ordnung rufen,

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