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Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland

Titel: Wanderungen Durch Die Mark Brandenburg: Band 3, Havelland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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schottischen Heide, vor uns hintrat, erschrak ich ein wenig. Und zunächst mit Recht. Die Klasse von Jägern nämlich, der er, auch wenn er sich nicht dazu bekannt hätte, ganz unverkennbar angehörte, zählt keineswegs zu den angenehmen, am allerwenigsten zu den harmlosen Erscheinungen, wie man, ihrem Namen nach, ohne weiteres schließen sollte. Sie vereinigen den Hochmut des Turners, des Dauerläufers und des Gelehrten in sich; jeder »steht und fällt mit der Wissenschaft«.
    Zu dieser Gruppe gehörte Lampe nun glücklicherweise nicht . Das Berlinertum wirkte hier als Gegengift. Seine Selbstironie brachte wieder alles ins Gleichgewicht und ließ noch einen gefälligen Überschuß. Er bat, wie gesagt, sich uns anschließen und »seine Fahne hochhalten zu dürfen«. Unsere Herzen fielen ihm gleich zu, und so ging es weiter.
    »Herr Lampe, Sie sind gewiß auch Kräuterjäger?«
    »Nicht doch. Wer seinen Kescher mit Ehren tragen will, muß die grüne Trommel zu Hause lassen. Fauna apart und Flora apart. Sie glauben gar nicht, welche profunde Wissenschaft die Käferei ist. 120 Bockkäfer bloß im Brieselang. Das will gemacht sein.«
    »Gewiß. Aber ich habe mir sagen lassen, daß die Dinge doch Hand in Hand gehen und daß die ›Käferei‹, wie Sie sagen, ohne ›Kräuterei‹ gar nicht recht bestehen kann. Beispielsweise wenn Sie eine Weißdornhecke sehen, so wissen Sie auch schon, was in dieser Hecke vorkommen kann, ebenso gewiß wir wissen, wo die Kretins und die Kröpfe zu suchen sind. Ursach und Wirkung, Theorie von der Ernährung. Bergwasser.«
    »Ich danke Ihnen für Ihre Vergleiche. Aber Sie haben recht. Das Land und die Leute, die Kräuter und die Insekten stehen in allernächster Beziehung zueinander, und obwohl ich für strenge Scheidung bin und die Mengerei in der Wissenschaft nicht leiden kann, so kann man doch nicht käfern in absoluter Ignorierung der grünen Trommel. Rundheraus, ich kenne dies und das. Aber das ist nicht Wissenschaft.«
    »Ich höre, daß der Brieselang eine eigene Flora haben soll, daß hier Dinge vorkommen, die sonst in der ganzen Mark nicht mehr zu finden sind. Hat das seine Richtigkeit?«
    »Gewiß. Der Brieselang hat seine eigenen Pflanzen und seine eigenen Insekten, er ist unser Gelobtes Land, und selbst die Rudower Wiese, in ›all dem Ruhm ihrer Orchideen‹, muß sich gegen den Brieselang verstecken.«
    »Was kommt denn wohl so vor? Ich meine zunächst von Pflanzen.«
    »Da haben wir zunächst das Wanzenknabenkraut. Da haben wir ferner Neottia nidus avis, das Vogelnest. Noch seltener ist Coptolanthera rubra, der rote Rundbeutel. Die Krone von allem aber ist vielleicht Dieranum montanum, der gebirgliebende Gabelzahn. Wie der speziell in den Brieselang kommt, wo die Maulwurfshügel für alles, was Berglinie heißt, aufkommen müssen, ist mir unerfindlich.«
    »Und nun die Käfer.«
    »Nun, wissen Sie, da gibt's kein Ende. Aber ich will es gnädig machen. Da ist der Widderkäfer, der Bastkäfer, der Feuerkäfer; dies sind die leichten Truppen. Dann kommt die Garde: der Schwarzkäfer, der Panzerkäfer. Aber das eigentlich schwere Geschütz, das den Ausschlag gibt, das ist doch Procrustes coriaceus und Saperda Seydlii. Besonders Saperda. Sie lächeln; aber glauben Sie mir, wie unsereinem zumute wird, wenn man bloß das Wort Saperda aussprechen hört, davon können Sie sich keine Vorstellung machen. Ich hatte einen legitimistisch-historischen Freund, dessen Gesicht sich immer verklärte, wenn er ›Montmorency‹ sagte; sehen Sie, so geht es mir mit Saperda. Und sagen Sie selbst, klingt es nicht schön, apart, dies Doppel-a und das r in der Mitte! Oh, wir haben auch ein Herz.«
    »Ist denn nun Saperda im ganzen Brieselang verbreitet?«
    »Verbreitet? Ich weiß nicht, was Sie verbreitet nennen. Wenn eine Sache verbreitet ist, nun, so ist es mit ihr vorbei, so ist sie entzaubert. Es gibt keine verbreitete Schönheit. Schönheit ist immer rar. Saperda findet sich auf einem einzigen Baum, an der Segefelder Straße.«
    »Davon hab ich gehört.«
    »Nicht mehr wie billig. Manche Messerklinge ist da zerbrochen worden. Der Baum sieht aus wie ein Scheibenpfahl, den hundert Kugeln gestreift, durchbohrt, zersplittert haben. Es gibt keinen unter uns, der den Baum nicht kennte. Bei Segefeld liegt der Sand wie eine Sahara. Aber wir durchwaten ihn mit Freudigkeit – der Weg zu den großen Pilgerstätten hat noch immer durch die Wüste geführt.«
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2. Försterei Brieselang
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