Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Heu- und Strohbündel
des draußen harrenden Wagens. Was zu dieser Ordre
geführt, ob einfach Laune oder aber die ökonomische
Erwägung, »daß der von Knesebeck au fond reich
genug sei, um nunmehro sich auch ohne geschenkte
königliche Möbel behelfen zu können«, ist nie be-
kannt geworden. Der Planwagen fuhr ab und ließ
nichts zurück als die eingemauerten Bilder und einen
alten Eichentisch, den sehr wahrscheinlich seine Un-
scheinbarkeit gerettet hatte.
Wir treten nun in das Haus selber ein. Das erste
Zimmer mit der Aussicht auf den Park ist das Biblio-
thekzimmer. Auf schlichten Regalen stehen schlichte
Einbände, keine Goldschnittsliteratur zum Ansehen,
sondern Bücher zum Lesen, »Krieger für den Werkel-
tag«. Es sind Bücher und Broschüren, die der alte
Feldmarschall in seinem achtzigjährigen Leben ge-
sammelt hat und über deren Inhalt und Richtung
seine eigenen Worte Auskunft geben mögen: »Mit
meinen Studien in Geschichte, Philosophie und schö-
nen Wissenschaften ging es besser; sie interessier-
ten mich über alles, besonders Geschichte und Le-
bensbeschreibungen, zu denen auch bis ins späte
Alter mir die Neigung geblieben ist .« Die poetische Grundanlage des alten Herrn spricht sich in diesen
Worten aus; hätte es je eine schaffende dichterische
Natur gegeben, der nicht Biographien und Memoiren
die liebste Lektüre gewesen wären!
Aus dem Bibliothekzimmer tritt man in das dahinter
gelegene Empfangs- und Familienzimmer. Es ist groß
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und geräumig und macht vor allem den Eindruck
behaglichen Geborgenseins. An Bildern weist es
nichts von besonderem Interesse auf, außer einer
Ansicht von dem in der Nähe von Salzwedel gelege-
nen Schloß Tylsen, dem alten Familiensitze der Knesebecks. Die eigentliche Sehenswürdigkeit dieses
Zimmers ist jener alte Eichentisch, der der Versen-
kung in den Planwagen glücklich entging. Und doch
war dies schlichte Wirtschaftsstück das eigentlichste
Wertstück des Ameublements, wenn auch damals
nicht, so doch jetzt. Dieser Tisch nämlich bildete sei-
nerzeit einen Teil der langen Tafel, an der die Sit-
zungen des Tabakskollegiums gehalten wurden. Es
existieren solcher Tische nur noch zwei, dieser Kne-
sebecksche in Karwe und ein Zwillingsbruder dessel-
ben in Potsdam. Eine Decke von braunem schweren
Seidenzeug verhüllt wie billig die eichene Derbheit
dieses nicht salonfähigen Möbels, dessen Konstrukti-
on ganz eigentümlicher Art ist. Die Platte besteht aus
zwei abgestutzten Dreiecken und ruht auf sechs Fü-
ßen, die wiederum ihrerseits zwei Dreiecke bilden.
Verbindungshölzer und Eisenkrampen halten das
Ganze zusammen und stellen einen Bau her, der
allen Anspruch darauf hatte, nicht beachtet zu wer-
den, als die Trumeaux hinausgetragen wurden.
Links neben dem Empfangssaale befindet sich das
Arbeitszimmer des gegenwärtigen Besitzers. Es ist
sehr klein, etwas geräuschvoll gelegen und selbst zur
Nachtzeit ohne wünschenswerte Ruhe. Die »Dame im
schwarzen Seidenkleid« nämlich, als welche der
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Karwer Spuk auftritt, beginnt von hier aus ihren
Rundgang, und wer mag ruhig und gemütlich ein
Buch lesen, wenn er fürchten muß, die Schwarze
Frau steht hinter ihm und liest mit, wie zwei Leute,
die aus einem Gesangbuch singen.
Über dem Schreibpult im selben Zimmer hängt ein
sehr gutes Crayonportrait des Feldmarschalls, und
auf einem Tischchen daneben steht ein porzellanenes
Schreibzeug mit einer Rosenguirlande, ein Geschenk
vom alten Gleim, der dem Feldmarschall in seinen
Halberstädter Lieutenantstagen nah befreundet war.
Zur Rechten des Empfangszimmers ist der Speise-
saal. Hier befinden sich neben anderen Schildereien
vier Familienportraits: zunächst der Ahnherr des
Hauses, einem Grabsteinrelief nachgebildet, das sich
in der Kirche zu Hannoverisch-Wittingen bis diesen
Tag erhalten hat. Unmittelbar darunter hängen die
Bilder des Urgroßvaters und Großvaters des jetzigen
Besitzers, von denen wir den ersteren als stattlichen
und reich verheirateten Oberstlieutenant bei der
Garde, den andern als Vater des Junkers vom Re-
giment von Kalckstein bereits kennengelernt haben.
Er wurde bei Kolin durch Arm und Leib geschossen
und war der, auf den der alte Zieten die schon vorzi-
tierten Worte bezog: »Gott segne dich, und werde so brav wie dein Vater .« Unter diesen beiden Portraits hängt das vortrefflich ausgeführte Ölbild des Feldmarschalls von dem Knesebeck, damals
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