Wanderungen durch die Mark Brandenburg
(unmittelbar
nach dem Befreiungskriege) noch Generallieutenant
in der Okkupationsarmee. Das Portrait zeigt in seiner
linken Ecke den Namen: »Steuben; Paris, 1814«,
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kurze Worte, die genugsam für den Wert des Bildes
sprechen.
Aus dem Speisesaale treten wir in das angrenzende
Wohnzimmer, wo, über dem Schreibtisch der Dame
vom Hause, eine Kopie des Correggioschen Christus-
kopfes auf dem Schweißtuche der heiligen Veronika
unsere Aufmerksamkeit fesselt. Das Original bildet
jetzt, wenn nicht neuerdings wiederum Änderungen
stattgefunden haben, eine Zierde unseres Berliner
Museums. Früher hing es im Wohnzimmer zu Karwe,
an derselben Stelle, die sich jetzt mit der bloßen Ko-
pie behelfen muß. Interessant ist es, wie das Original
in den Besitz der Familie kam. Der Feldmarschall
bereiste, wahrscheinlich 1819, Italien und kam nach
Rom. Kurz vor seiner Rückreise wurd ihm von einem
Trödler ein Christuskopf zum Verkauf angeboten,
dessen hohe Schönheit auch seinem Laienauge auf
der Stelle einleuchtete. Er kaufte das Bild für eine
ansehnliche Summe. Kaum aber war er im Besitz
desselben, als sich das Gerücht verbreitete, eins der
italienischen Klöster sei beraubt worden – der Cor-
reggio'sche Christuskopf auf dem Schweißtuche der
heiligen Veronika sei fort. Der nächste Tag brachte
die amtliche Bestätigung, und Belohnungen wurden
ausgesetzt für die Wiederbeschaffung und selbst für
den Nachweis des berühmten Gemäldes. Knesebeck
begriff die Gefahr und traf seine Vorkehrungen. Das
Bild ward in ein Wagenkissen eingenäht, und der
glückliche Besitzer, der bis dahin kaum selber ge-
wußt haben mochte, was er besaß , nahm auf seinem neuen Schatze Platz und brachte so sein schönes
Eigentum glücklich über die Alpen. Ich kann nicht
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sagen, wie lange das Bild in Karwe blieb, mutmaßlich
nur kurze Zeit. Jedenfalls nahm das Haus Knesebeck,
das zu Anfang des achtzehnten Jahrhunderts von
den Hohenzollern ein halbes Dutzend Familienport-
raits geschenkt erhalten hatte, zu Anfang des neun-
zehnten Jahrhunderts Veranlassung, den Hohenzol-
lern ein Gegengeschenk zu machen, und warf (in
aller Loyalität sei es gesagt) einen Correggioschen
Christuskopf gegen sechs Pesnesche Kurfürsten un-
zweifelhaft siegreich in die Waage. Friedrich Wil-
helm III. akzeptierte in Gnaden das Geschenk und
willigte gern in Erfüllung des einen Wunsches, den Knesebeck bei Überreichung des Bildes geäußert
hatte, »daß dasselbe nämlich unwandelbar in der
königlichen Hauskapelle verbleiben möge.« Diese
Zubewilligung ist indessen im Laufe der Zeit entwe-
der vergessen oder aber aus einem Humanitätsge-
fühle der Hohenzollern, »die nichts Schönes für sich
allein haben wollen«, absichtlich geändert worden.
Das Bild gehört nicht mehr der Hauskapelle, sondern dem Bildermuseum an. Nur bei Gelegenheit der Taufe des jungen Prinzen Friedrich Wilhelm, dessen Ge-
burt im Januar 1859 alle loyalen Herzen in Stadt und
Land mit Freudigkeit erfüllte, kam auch der Correg-
gio wenigstens vorübergehend wieder zu seinem
zugesagten Recht und wanderte auf vierundzwanzig
Stunden aus den Museumssälen in den prächtigen
Kuppelbau der Schloßkapelle hinüber.
Wir machen von den Zimmern des Erdgeschosses
aus noch einen Rundgang durch die Räume des obe-
ren Stockwerkes, inspizieren im Hof den historischen
alten Kaleschwagen, in dem 1812 der damalige O-
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berst von Knesebeck die berühmte Reise nach Pe-
tersburg antrat, um dem Kaiser Alexander zuzuru-
fen: »Krieg und wieder Krieg! Die Quadratmeilen
Rußlands sind die Rettung Europas« – und kehren
dann in das Empfangs- und Familienzimmer zurück,
dessen bequeme Polsterstühle zu einer kurzen Rast
einladen. In diesem Zimmer pflegte Knesebeck auch
in seinen alten Tagen noch, die Hände auf dem Rü-
cken und den kurzen Sammetrock durch eine Schnur
zusammengehalten, mit großen Schritten auf und ab
zu gehn. Hier war die Arbeitsstätte seiner Gedanken,
hier , wo er im besten Mannesalter sein Gehirn zer-sonnen hatte, wie Rettung zu schaffen und dem
Feinde seines Landes, zugleich dem Feinde alles ech-
ten Lebens, siegreich beizukommen sei. Und hier
fand er es . Hören wir, was er selber darüber
schreibt: »Die Karte von Rußland kam nicht von
meinem Pult. Ich sah die unermeßliche Fläche, be-
rechnete die möglichen Märsche des Eroberers, und
siehe da, die beiden großen Alliierten Rußlands: der Raum und die Zeit ,
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