Wanderungen durch die Mark Brandenburg
mehr. Die prustenden
Pferde warfen den Schaum nach hinten, und Acker,
Sand und Schonung – immer schattenhafter kamen
und schwanden sie. Jetzt ein Steindamm, jetzt lange
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Pappelreihen, und nun auch jener wärmere Luft-
strom, der uns die Nähe menschlicher Wohnungen
bedeutete. Noch eine Biegung, zwischen den Bäu-
men hindurch schimmerte Licht, und – unser Wagen
hielt.
Eine halbe Stunde später, und der hohe Kamin sah
uns im Halbzirkel um seine Flamme versammelt. Die
Scheite, echte Kinder der Menzer Forst, brannten
hoch auf, auf uns hernieder aber sahen die Ahnen
des weitverzweigten Hauses: die Neales, die Oettin-
ger und La Roche-Aymon, und zwischen ihnen das
leuchtende Bild des »Saalfelder Prinzen«.
Die Rede ging von alter und neuer Zeit. Märchenhaft
verschwamm uns Jüngsterlebtes mit Längstvergan-
genem, und während wir eben noch über den
Rheinsberger See hinglitten und das Gekicher schö-
ner Frauen zu hören glaubten, weitete sich plötzlich
das stille Wasserbecken und bildete Strudel und
Trichter, und der Hahn, der unten auf dem Grunde
des Großen Stechlin sitzt, stieg herauf und krähte,
seinen roten Kamm schüttelnd, über den See hin.
Mitternacht war heran, die Scheite verglimmten, und
nur ein Flackerschein spielte noch um die Bilder. Es
war, als lächelten sie.
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An Rhin und Dosse
Das Wustrauer Luch
Es schien das Abendrot
Auf diese Sumpf gewordne Urwaldstätte,
Wo ungestört das Leben mit dem Tod
Jahrtausendlang gekämpfet um die Wette.
Lenau
Der Rhin, dessen Bekanntschaft wir in einem vorauf-
gehenden Kapitel machten, nimmt auf der ersten
Hälfte seines Weges seine Richtung von Nord nach
Süd, bis er, nach Passierung des großen Ruppiner
Sees, beinah plötzlich seinen Lauf ändert und,
rechtwinklig weiterfließend, ziemlich genau die Süd-
grenze der Grafschaft zieht. Auf dieser zweiten Hälfte
seines Laufs, Richtung von Ost nach West, gedenken
wir ihn in diesem und den nächsten Kapiteln zu be-
gleiten, dabei weniger ihm selbst als seinen Dörfern
unsre Aufmerksamkeit schenkend.
Das erste unter diesen Dörfern ist Wustrau, das wir
bereits kennen. Nicht aber kennen wir das gleichnamige Luch , das der Rhin hier, unmittelbar nach seinem Austritt aus dem See, auf Meilen hin bildet, und
diesem »Wustrauer Luch« gilt nunmehr unsre heuti-
ge Wandrung.
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Wir beginnen sie vom Zentrum des Fehrbelliner
Schlachtfeldes, von dem hoch gelegenen Hakenber-
ger Kirchhofe aus und steigen, nach einem vorgängigen Überblick über die Torf- und Wiesenlandschaft,
an die Rhinufer nieder. Kahnfahrten werden uns
aushelfen, wo Wasser und Sumpf jede Fußwande-
rung zur Unmöglichkeit machen. Unser nächstes Ziel
aber ist eine zwischen den Dörfern Wustrau und
Langen gelegene »Faktorei«, deren rotes Dach hell in
der Sonne blitzt.
Es war ein heißer Tag, und der blaue Himmel begann
bereits kleine grauweiße Wölkchen zu zeigen, die nur
verschwanden, um an anderer Stelle wiederzukeh-
ren. Auf einem schmalen Damme, der wenig mehr
als die Breite einer Wagenspur haben mochte, schrit-
ten wir hin. Alles mahnt hier an Torf. Ein feiner,
schnupftabakfarbener Staub durchdrang die Luft und
selbst die Sträucher, die zwischen den Gräben und
Torfpyramiden standen, sahen braun aus, als hätten
sie sich gehorsamst in die Farben ihrer Herrschaft
gekleidet. Das Ganze machte den Eindruck eines
plötzlich ans Licht geförderten Bergwerks, und ehe
zehn Minuten um waren, sahen wir aus wie die Vete-
ranen einer Knappschaft.
Wir mochten eine halbe Stunde gewandert sein, als
wir bei der vorgenannten »Faktorei« mit dem roten
Dache ankamen. Ich weiß nicht, ob diese Etablisse-
ments, deren wohl zehn oder zwölf im Wustrauer
und Linumschen Luche sein mögen, wirklich den
Namen »Faktorei« führen oder ob sie sich noch im-
mer mit der alten Bezeichnung Torfhütte behelfen 533
müssen. Jedenfalls sind es Faktoreien und drückt dieses Wort am besten die Beschaffenheit einer solchen Luchkolonie aus.
Die Faktorei, vor der wir uns jetzt befanden, lag wie
auf einer Insel, die durch drei oder vier hier zusam-
mentreffende Kanäle gebildet wurde. Sie bestand
aus einem Wohnhaus, aus sich herumgruppierenden
Stall- und Wirtschaftsgebäuden und endlich aus einer
Reihe von Strohhütten, die sich, etwa zwanzig an der
Zahl, an dem Hauptgraben entlangzogen. Nach
flüchtiger Begrüßung des Obermanns schritten wir
zunächst diesen Hütten zu.
Sie bilden,
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