Wanderungen durch die Mark Brandenburg
nebst hundert ähnlichen Behausungen,
die sich hier und überall im Luche vorfinden, die
temporären Wohnplätze für jene Tausende von Ar-
beitern, die zur Sommerzeit die Höhendörfer der
Umgegend verlassen, um auf etwa vier Monate hin
ins Luch hinabzusteigen und dort beim Torfstechen
ein hohes Tagelohn zu verdienen. Die Dörfer, aus
denen sie kommen, liegen viel zu weit vom Luch ent-
fernt, als daß es den Arbeitern möglich wäre, nach
der Müh und Hitze des Tages auch noch heimzuwan-
dern, und so ist es denn Sitte geworden, zeitweilige
Luchhäuser aufzubauen, eigentümliche Sommerwoh-
nungen, in denen die Arbeiter die Torfsaison verbrin-
gen.
An diese Wohnungen, soviel deren dieser einen Kolonie zugehören, treten wir jetzt heran.
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Die Hütten stehen, behufs Lüftung, auf und gestat-
ten uns einen Einblick. Es sind große, vielleicht drei-
ßig Fuß lange Strohdächer von verhältnismäßiger
Höhe. An der Giebelseite, wo die Dachluke hingehö-
ren würde, befindet sich die Eingangstür, und ge-
genüber, am andern Ende der Hütte, gewahren wir
ein offenstehendes Fensterchen. Zwischen Tür und
Fensterchen läuft ein schmaler, tennenartiger Gang,
der etwa dem gemeinschaftlichen Flur eines Hauses
entspricht. An diesen Flur grenzen von jeder Seite
her vier Wohnungen, das heißt vier niedrige, kaum
einen Fuß hohe Hürden oder Einfriedigungen, die mit
Stroh bestreut sind und als Schlaf- und Wohnplätze
für die Torfarbeiter dienen. Wie viele Personen in
solcher Hürde Platz finden, vermag ich nicht be-
stimmt zu sagen, jedenfalls aber genug, um auch bei
Nachtzeit ein Offenstehen von Tür und Fenster als
ein dringendes Gebot erscheinen zu lassen. Es war
Mittag, und wir fanden fünf, sechs Leute vor, die sich
ausruhten oder ihr Mittagsmahl verzehrten. Ein Ge-
spräch ergab das Folgende. Die Arbeit ist schwer und
ungesund, aber einträglich, besonders für geübte
Wochenarbeiter, die mittels ihrer Geschicklichkeit
das Akkordquantum überschreiten und ihre Arbeits-
überschüsse bezahlt bekommen. Drei Arbeiter bilden
immer eine Einheit, und als das täglich von ihnen zu
liefernde Durchschnittsquantum gelten 13 000 Stück
Torf. Leisten sie das , so haben sie einen mittleren Tagelohn verdient, der aber immer noch beträchtlich
über das hinausgeht, was für Feldarbeit in den Dör-
fern bezahlt zu werden pflegt. Gute Arbeiter indes
(immer jene drei als Einheit gerechnet) bringen es
bis zu 20 000 Stück, was bei zehn Arbeitsstunden
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etwa zwei Sekunden für die Gewinnung eines Stü-
ckes Torf ergibt. Über diese Produzierung sei noch
ein Wort gesagt. Man hat es eine Zeitlang mit Ma-
schinen versucht, ist aber längst zur Handarbeit, als
zu dem Rascheren und Einträglicheren, zurückge-
kommen. Das Verfahren ist außerordentlich einfach.
Drei Personen und drei verschiedene Instrumente
sind nötig: ein Schneideeisen, ein Grabscheit und
eine Gabel. Das Schneideeisen ist die Hauptsache. Es
gleicht einem Grabscheit, das aber zwei rechtwinklig
stehende Flügel hat, so daß man beim Eindrücken
desselben drei Schnitte a tempo macht. Die Arbeiter
stehen nun an einem langen, glatt und steil abfallen-
den Torfgraben, und zwar zwei in ihm, der dritte auf ihm. Dieser dritte drückt von oben her das Schneideeisen oder Torfmesser in den Grabenrand ein und
schneidet dadurch ein fix und fertiges Torfstück her-
aus, das nur noch nach unten zu festhaftet. In dem-
selben Augenblick, wo er das Eisen wieder hebt, um
es dicht daneben in den Boden zu drücken, sticht
einer der im Graben stehenden Leute mit dem Grab-
scheit das Stück Torf los und präsentiert es, wie ein
vom Teller gelöstes Stück Kuchen, dem dritten. Die-
ser spießt es sofort mit einer großen Gabel auf und
legt es beiseite, so daß sich binnen kurzem die be-
kannte Torfpyramide aufbaut.
Wir schritten nun zu dem eigentlichen Faktorei ge-bäude zurück. Dasselbe teilt sich in zwei Hälften, in
ein Bureau und eine Art Bauernwirtschaft. An der
Spitze des Comtoirs steht ein Geschäftsführer, ein
Vertrauensmann der »Torflords«, der die Wochen-
löhne zu zahlen und das Kaufmännische des Betrie-
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bes zu leiten hat. Er ist nur ein Sommergast hier,
ebenso wie der Arbeiter, und kehrt, wenn der Herbst
kommt, für die Wintermonate nach Linum oder Fehr-
bellin zurück. Nicht so der Obermann, der Torfmeier,
dem das Gehöft gehört. Er ist hier zu Haus, jahraus,
jahrein, und nimmt seine
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