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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nebst hundert ähnlichen Behausungen,
    die sich hier und überall im Luche vorfinden, die
    temporären Wohnplätze für jene Tausende von Ar-
    beitern, die zur Sommerzeit die Höhendörfer der
    Umgegend verlassen, um auf etwa vier Monate hin
    ins Luch hinabzusteigen und dort beim Torfstechen
    ein hohes Tagelohn zu verdienen. Die Dörfer, aus
    denen sie kommen, liegen viel zu weit vom Luch ent-
    fernt, als daß es den Arbeitern möglich wäre, nach
    der Müh und Hitze des Tages auch noch heimzuwan-
    dern, und so ist es denn Sitte geworden, zeitweilige
    Luchhäuser aufzubauen, eigentümliche Sommerwoh-
    nungen, in denen die Arbeiter die Torfsaison verbrin-
    gen.
    An diese Wohnungen, soviel deren dieser einen Kolonie zugehören, treten wir jetzt heran.

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    Die Hütten stehen, behufs Lüftung, auf und gestat-
    ten uns einen Einblick. Es sind große, vielleicht drei-
    ßig Fuß lange Strohdächer von verhältnismäßiger
    Höhe. An der Giebelseite, wo die Dachluke hingehö-
    ren würde, befindet sich die Eingangstür, und ge-
    genüber, am andern Ende der Hütte, gewahren wir
    ein offenstehendes Fensterchen. Zwischen Tür und
    Fensterchen läuft ein schmaler, tennenartiger Gang,
    der etwa dem gemeinschaftlichen Flur eines Hauses
    entspricht. An diesen Flur grenzen von jeder Seite
    her vier Wohnungen, das heißt vier niedrige, kaum
    einen Fuß hohe Hürden oder Einfriedigungen, die mit
    Stroh bestreut sind und als Schlaf- und Wohnplätze
    für die Torfarbeiter dienen. Wie viele Personen in
    solcher Hürde Platz finden, vermag ich nicht be-
    stimmt zu sagen, jedenfalls aber genug, um auch bei
    Nachtzeit ein Offenstehen von Tür und Fenster als
    ein dringendes Gebot erscheinen zu lassen. Es war
    Mittag, und wir fanden fünf, sechs Leute vor, die sich
    ausruhten oder ihr Mittagsmahl verzehrten. Ein Ge-
    spräch ergab das Folgende. Die Arbeit ist schwer und
    ungesund, aber einträglich, besonders für geübte
    Wochenarbeiter, die mittels ihrer Geschicklichkeit
    das Akkordquantum überschreiten und ihre Arbeits-
    überschüsse bezahlt bekommen. Drei Arbeiter bilden
    immer eine Einheit, und als das täglich von ihnen zu
    liefernde Durchschnittsquantum gelten 13 000 Stück
    Torf. Leisten sie das , so haben sie einen mittleren Tagelohn verdient, der aber immer noch beträchtlich
    über das hinausgeht, was für Feldarbeit in den Dör-
    fern bezahlt zu werden pflegt. Gute Arbeiter indes
    (immer jene drei als Einheit gerechnet) bringen es
    bis zu 20 000 Stück, was bei zehn Arbeitsstunden

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    etwa zwei Sekunden für die Gewinnung eines Stü-
    ckes Torf ergibt. Über diese Produzierung sei noch
    ein Wort gesagt. Man hat es eine Zeitlang mit Ma-
    schinen versucht, ist aber längst zur Handarbeit, als
    zu dem Rascheren und Einträglicheren, zurückge-
    kommen. Das Verfahren ist außerordentlich einfach.
    Drei Personen und drei verschiedene Instrumente
    sind nötig: ein Schneideeisen, ein Grabscheit und
    eine Gabel. Das Schneideeisen ist die Hauptsache. Es
    gleicht einem Grabscheit, das aber zwei rechtwinklig
    stehende Flügel hat, so daß man beim Eindrücken
    desselben drei Schnitte a tempo macht. Die Arbeiter
    stehen nun an einem langen, glatt und steil abfallen-
    den Torfgraben, und zwar zwei in ihm, der dritte auf ihm. Dieser dritte drückt von oben her das Schneideeisen oder Torfmesser in den Grabenrand ein und
    schneidet dadurch ein fix und fertiges Torfstück her-
    aus, das nur noch nach unten zu festhaftet. In dem-
    selben Augenblick, wo er das Eisen wieder hebt, um
    es dicht daneben in den Boden zu drücken, sticht
    einer der im Graben stehenden Leute mit dem Grab-
    scheit das Stück Torf los und präsentiert es, wie ein
    vom Teller gelöstes Stück Kuchen, dem dritten. Die-
    ser spießt es sofort mit einer großen Gabel auf und
    legt es beiseite, so daß sich binnen kurzem die be-
    kannte Torfpyramide aufbaut.
    Wir schritten nun zu dem eigentlichen Faktorei ge-bäude zurück. Dasselbe teilt sich in zwei Hälften, in
    ein Bureau und eine Art Bauernwirtschaft. An der
    Spitze des Comtoirs steht ein Geschäftsführer, ein
    Vertrauensmann der »Torflords«, der die Wochen-
    löhne zu zahlen und das Kaufmännische des Betrie-

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    bes zu leiten hat. Er ist nur ein Sommergast hier,
    ebenso wie der Arbeiter, und kehrt, wenn der Herbst
    kommt, für die Wintermonate nach Linum oder Fehr-
    bellin zurück. Nicht so der Obermann, der Torfmeier,
    dem das Gehöft gehört. Er ist hier zu Haus, jahraus,
    jahrein, und nimmt seine

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