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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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eine Stelle passiert, die solche »Ge-
    schichte« hat, und noch von neustem Datum dazu.
    Hier, wo das Unterholz sich durch die Waldrinne
    zieht, gleich links neben der Weißbuche, da lag er,
    da fanden sie ihn, den Kopf nach der Tiefe zu, den
    einen Fuß im Gestrüpp verwickelt und neben ihm die
    Büchse. Der grüne Aufschlag des einen Ärmels war
    rot, und man sah deutlich, er war mit der Rechten
    nach der Brust gefahren. Wessen Kugel hatte ihn
    getroffen? Einen Augenblick schien es, als sei man
    dem Geheimnis auf der Spur: in Herz oder Lunge des

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    Toten hatte man das Kugelpflaster gefunden und an
    ebendiesem Pflaster acht scharf markierte schwarze
    Strichelchen, die's dem Kundigen verrieten, daß die
    Kugel aus einer Büchse mit acht Rillen gekommen
    war. Und solcher Büchsen gab es am Rande der
    Menzer Forst hin nicht allzu viele. So wies man denn
    mit Fingern auf den und den. Aber die Sache kam zu
    früh in Kurs, und als an den verdächtigsten Stellen
    gesucht wurde, waren die achtrilligen Büchsen ver-
    schwunden. Ein groß Begräbnis gab es, groß wie die
    Teilnahme, aber das Geheimnis seines Todes hat der
    Tote mit ins Grab genommen.
    So ging das Geplauder, als plötzlich, zwischen den
    Stämmen hin, eine weite Wasserfläche sichtbar wur-
    de, darauf hell und blendend fast die späte Nachmit-
    tagssonne flimmerte. »Das ist der Stechlin«, hieß es.
    Und im nächsten Augenblicke sprangen wir ab und
    schritten auf ihn zu.
    Da lag er vor uns, der buchtenreiche See, geheim-
    nisvoll, einem Stummen gleich, den es zu sprechen
    drängt. Aber die ungelöste Zunge weigert ihm den
    Dienst, und was er sagen will, bleibt ungesagt.
    Und nun setzten wir uns an den Rand eines Vor-
    sprungs und horchten auf die Stille. Die blieb, wie sie war: kein Boot, kein Vogel; auch kein Gewölk. Nur
    Grün und Blau und Sonne.

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    »Wie still er daliegt, der Stechlin«, hob unser Führer
    und Gastfreund an, »aber die Leute hier herum wis-
    sen von ihm zu erzählen. Er ist einer von den Vor-
    nehmen, die große Beziehungen unterhalten. Als das
    Lissabonner Erdbeben war, waren hier Strudel und
    Trichter, und staubende Wasserhosen tanzten zwi-
    schen den Ufern hin. Er geht 400 Fuß tief, und an
    mehr als einer Stelle findet das Senkblei keinen
    Grund. Und Launen hat er, und man muß ihn aus-
    studieren wie eine Frau. Dies kann er leiden und je-
    nes nicht und mitunter liegt das, was ihm schmei-
    chelt, und das, was ihn ärgert, keine Handbreit aus-
    einander. Die Fischer, selbstverständlich, kennen ihn
    am besten. Hier dürfen sie das Netz ziehen, und an seiner Oberfläche bleibt alles klar und heiter, aber
    zehn Schritte weiter will er's nicht haben, aus blo-
    ßem Eigensinn, und sein Antlitz runzelt und verdun-
    kelt sich, und ein Murren klingt herauf. Dann ist es
    Zeit, ihn zu meiden und das Ufer aufzusuchen. Ist
    aber ein Waghals im Boot, der's ertrotzen will, so
    gibt's ein Unglück, und der Hahn steigt herauf, rot
    und zornig, der Hahn, der unten auf dem Grunde des
    Stechlin sitzt, und schlägt den See mit seinen Flü-
    geln, bis er schäumt und wogt, und greift das Boot
    an und kreischt und kräht, daß es die ganze Menzer
    Forst durchhallt von Dagow bis Roofen und bis
    Altglobsow hin.«
    Die Sonne war mittlerweile tiefer hinabgestiegen und
    berührte schon die Wipfel des Waldes. Uns eine
    Mahnung zur Eile. Der Erdwall, auf dem wir gesessen
    und geplaudert hatten, lag nach Norden hin, aber
    ehe zehn Minuten um waren, hatten wir die große

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    Biegung gemacht und fuhren wieder an der entge-
    gengesetzten südlichen Seite.
    Das Revier, das uns hier aufnahm, war das Revier
    der Glashütten , die wie Squatter-Ansiedlungen am Waldsaume lagen. Hütte neben Hütte; sonst nichts
    sichtbar als der Rauch, der über die Dächer zog. Nur
    bei der Globsower Glashütte, die (hart an einer
    Buchtung des Großen Stechlin gelegen) einen weit-
    verzweigten Handel treibt mit Retorten und Glaskol-
    ben, nur hier herrschte Leben, am meisten in der schattigen Allee, die, von den Wohn- und Arbeitshütten her, zur Ladestelle hinunterführte. Hier spielten
    Kinder Krieg und fochten ihre Fehde mit Kastanien
    aus, die zahlreich in halb aufgeplatzten Schalen un-
    ter den Bäumen lagen. Die einen retirierten eben auf
    den See zu und suchten Deckung hinter den großen
    Salzsäureballons, die hier dichtgereiht am Ufer des
    Stechlin hin standen, aber der Feind gab seinen An-
    griff nicht auf, und die Kastanien fielen hageldicht
    auf die gläserne

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