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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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diesem Behufe ruhen die Balken
    auf einer Art Drehscheibe, und die Kraft zweier Hän-

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    de reicht völlig aus, den Brückenbaum nach rechts
    oder links hin aus dem Wege zu schaffen.
    Die zahllosen Wasserarme, die das Grün durch-
    schneiden, geben der Landschaft viel von dem Cha-
    rakter des Spreewalds und erinnern uns mehr denn
    einmal an das Kanalnetz, das die fruchtbaren Land-
    striche zwischen Lehde und Leipe durchzieht. Aber
    bei aller Ähnlichkeit unterscheiden sich beide Sumpf-
    gegenden doch auch wieder. Der Spreewald ist bun-
    ter, reicher, schöner. In seiner Grundanlage dem
    Luch allerdings nahe verwandt, hat das Leben doch überall Besitz von ihm genommen und heitere Bilder
    in seinen einfach grünen Teppich eingewoben. Dörfer
    tauchen auf, allerlei Blumen ranken sich um Haus
    und Hütte, hundert Kähne gleiten den Fluß entlang,
    und weidende Herden und singende Menschen un-
    terbrechen die Stille, die auf der Landschaft liegt.
    Nicht so im Luch. Der einfach grüne Grund des Tep-
    pichs ist noch ganz er selbst geblieben, das Leben
    geht nur zu Gast hier, und der Mensch, ein paar
    Torfhütten und ihre Bewohner abgerechnet, stieg in
    ebendiesen Moorgrund nur hinab, um ihn auszunut-
    zen, nicht um auf ihm zu leben. Einsamkeit ist der
    Charakter des Luchs. Nur vom Horizont her, fast wie
    Wolkengebilde, blicken die Höhendörfer in die grüne
    Öde hinein; Gräben, Gras und Torf dehnen sich end-
    los, und nichts Lebendes wird hörbar als die Pelotons
    der von rechts und links her ins Wasser springenden
    Frösche oder das Kreischen der wilden Gänse, die
    über das Loch hinziehen. Von Zeit zu Zeit sperrt ein
    Torfkahn den Weg und weicht endlich mürrisch zur
    Seite. Kein Schiffer wird dabei sichtbar, eine rätsel-

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    hafte Hand lenkt das Steuer, und wir fahren mit stil-
    lem Grauen an dem häßlichen alten Schuppentier
    vorüber, als wär es ein Ichthyosaurus, ein alter Be-
    herrscher dieses Luchs, der sich noch besönne, ob er
    der neuen Zeit und dem Menschen das Feld räumen
    solle oder nicht.
    So hatten wir etwa die Mitte dieser Torfterritorien
    erreicht, und die nach Süden zu gelegenen Kirchtür-
    me waren uns aus dem Gesicht entschwunden, wäh-
    rend die nördlichen noch auf sich warten ließen. Da
    brach das Gewitter los, das seit drei Stunden um das
    Luch herum seine Kreise gezogen und geschwankt
    hatte, ob es auf der Höhe bleiben oder in die Niede-
    rungen hinabsteigen sollte. Diese Luchgewitter er-
    freuen sich eines allerbesten Rufs; wenn sie kom-
    men, kommen sie gut, und ein solches Wetter entlud
    sich jetzt über uns. Kein Haus, kein Baum in Näh
    oder Ferne; so war es denn das beste, die Reise fort-
    zusetzen, als läge Sonnenschein rings um uns her.
    Der Regen fiel in Strömen, unser eingeschirrter Torf-
    arbeiter tat sein Bestes und trabte gegen Wind und
    Wetter an. Der Boden ward immer glitschiger, und
    mehr denn einmal sank er in die Knie; aber rasch
    war er wieder auf, und unverdrossen ging es weiter.
    Wir saßen derweilen schweigsam da, bemaßen das
    Wasser im Boot, das von Minute zu Minute stieg, und
    blickten nicht ohne Neid auf den vor uns her traben-
    den Graukittel, der, in der Lust des Kampfs, Gefahr
    und Not einigermaßen vergessen konnte, während
    wir in der Lage von Reservetruppen waren, die Gewehr bei Fuß stehen müssen, während die Kugeln
    von allen Seiten her einschlagen.

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    Jeder hat solche Situationen durchgemacht und
    kennt die fast gemütliche Resignation, die schließlich
    über einen kommt. Mit dem Momente, wo man die
    letzte trockne Stelle naß werden fühlt, fühlt man
    auch, daß der Himmel seinen letzten Pfeil verschos-
    sen hat und daß es nur besser werden kann, nicht
    schlimmer. Lächelnd saßen wir jetzt da, nichts vor
    uns als den graugrünen, mit Regen und Horizont in
    eins verschwimmenden Luchstreifen, und sahen auf
    den Tropfentanz um uns her, als ständen wir am
    Fenster und freuten uns der Wasserblasen auf einem
    Teich oder Tümpel.
    Endlich aber hielten wir. Wir hatten den ersehnten
    Nordrand erreicht, und die Sonne, die, sich durch-
    kämpfend, eben ihren Friedensbogen über das Luch
    warf, vergoldete den Turm des Dorfes Langen vor
    uns und zeigte uns den Weg. In wenigen Minuten
    hatten wir das Wirtshaus erreicht, bestellten, in fast
    beschwörendem Ton, »einen allerbesten Kaffee« und
    baten um die Erlaubnis, am Feuer Platz nehmen und
    unsere Garderobe stückweise trocknen zu dürfen.
    Und wirklich traten wir gleich danach in die

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