Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Laubhöl-
zern, endlich die Auswahl der letzteren in be-
zug auf Wechsel in der Farbe des Laubes je
nach der Jahreszeit – all das ist das Resultat
eines geläuterten Geschmacks. Entworfen
wurde das Ganze von dem verstorbenen Gar-
tendirektor Meyer aus Berlin, ausgeführt aber
von Alexander Gentz selbst, der im einzelnen
auch zu kleinen Änderungen schritt. Ob zum
Vorteil, stehe dahin. Der Park schließt ab mit
einer Felsengrotte, zu der mächtige, bis zu
fünfzig Fuß hohe Felsblöcke verwandt wur-
den, um deren Wände sich dichter Efeu
rankt.«
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3. Die Turmknopf-Urkunde
Das Niederschreiben einer für den Turmknopf be-
stimmten Urkunde1), deren Vor- und Nachwort ich
am Schluß des vorigen Kapitels bereits mitteilte, war
es, was A. Gentz, nach vorläufigem Abschluß seiner
Gentzroder Bautätigkeit, einen Winter lang beschäf-
tigte. Wie mir nicht zweifelhaft ist, zu seiner beson-
deren Befriedigung. Und eine solche Befriedigung zu
fühlen, dazu war er, nicht nur aus menschlicher
Schwachheit (er wollte den Ruppinern etwas anhän-
gen), sondern auch ästhetisch und künstlerisch an-
gesehen, vollkommen berechtigt. Ja, was er da nie-
dergeschrieben hat, zum Teil in einem brillanten Stil,
ist durchaus eine literarische Tat , und das bekannte, für die fachmäßige Schriftstellerwelt freilich nicht
allzu schmeichelhafte Wort: »Ein Schriftsteller kann
jeder sein, der was zu sagen hat«, empfängt aus
diesen Alexander Gentzschen Aufzeichnungen eine
neue Bestätigung. Eine literarische Tat, so sagte ich.
Aber damit ist die Sache noch keineswegs erschöpft;
der eigentliche Wert dieser Urkunde liegt in ihrer
lokalhistorischen Bedeutung. Es wird darin ein kleines märkisches Städtebild aus der Mitte des Jahr-
hunderts gegeben, ein Bild, wie's bis dahin nicht da
war und auch auf lange hin mutmaßlich nicht wie-
derkommen wird. Eingelebtsein in alle Verhältnisse,
scharfe Beobachtung und große Klugheit vereinigten
sich hier mit angeborner schriftstellerischer Bega-
bung und ließen ein Werk entstehen, das nun für alle
die, die dermaleinst märkische Kulturhistorie schreiben wollen, und ebenso für die märkische Novellistik
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der Zukunft unschätzbar erscheint. Ein Mikrokosmus,
wie er nicht schöner gedacht werden kann.
Der ursprüngliche Zweck der Urkunde, »wie Gentz-
rode ward und wuchs«, wird nie ganz aus dem Auge
verloren, aber, wie sein eignes, vorzitiertes Schluß-
wort es auch ausspricht, überall finden wir Exkurse,
denen sich Portraitierungen gesellen, eine ganze Ga-
lerie von kleinstädtischen Charakterköpfen.
Und nun geb ich dem Verfasser selber das Wort, nur
hier und da, beßren Verständnisses halber, eine kur-
ze Bemerkung einfügend.
»... Ich war nun also Mitglied des Magistratskollegi-
ums, und damit scheint mir der Zeitpunkt da, mich
über diese Körperschaft oder doch wenigstens die
Hervorragendsten darin auszusprechen. Eh ich aber
den einzelnen mich zuwende, muß ich noch meiner
Einführung als solcher gedenken. Ich meinerseits
war im Frack erschienen und unterwarf mich eben
der herkömmlichen Begrüßungsanrede von seiten
des Bürgermeisters, als ein älteres Mitglied den
Sprechenden ohne weiteres unterbrach, um ihn dar-
auf aufmerksam zu machen, ›daß zwei Kollegen oh-
ne Frack erschienen seien, was gegen die Étiquette
verstoße und zuvörderst gerügt werden müsse‹. Nun
erst, nach erteilter Reprimande, konnte der Sprecher
in seiner Anrede fortfahren.
Wie sich denken läßt, war das Kollegium, dem ich
von da ab angehörte, von sehr verschiedener Zu-
sammensetzung. Da waren zunächst der Ratszim-
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mermeister Söhnel, Kürschnermeister Emden und
Buchbindermeister Siecke – gute, treffliche, wohlwol-
lende Herren, der letztere, vielleicht weil er die Kir-
chenverwaltung hatte, etwas zu zaghaft. Dann war
da der Particulier Loof, eng überhaupt, am engsten
aber in Geldsachen, zumal wenn es seinen eignen
Beutel anging, in welchem Fall er sich, wo nützlich,
noch konservativer erwies als in der Politik. Ein fünf-
ter war Möbelfabrikant König. Er genoß des Vorzugs,
die beste Ratsherrnfigur zu haben. Auch Kaufmann
und Gutsbesitzer Windaus hätte gelten können,
wenn er etwas besser auf dem Posten gewesen wä-
re. Windaus hatte das Einquartierungswesen, kam
aber Mobilmachung oder dergleichen, so zog er sich
auf sein Gut Herzberg zurück und überließ das Nöti-
ge seinen Deputierten. Particulier
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