Wanderungen durch die Mark Brandenburg
wieder vor eine engere Wahl
gestellt, in der abwechselnd der Baum von größerem
Holzwert und der von prächtigerer Laubfärbung sei-
nen Vorzug geltend machte. So wurden Kulturen
hergestellt, die, schönheitlich den Schöpfungen des
Fürsten Pückler an die Seite zu stellen, zugleich auch
als rentabel anzusehen waren und diese Annahme
rechtfertigten. Für 10 000 Taler Pflanzbäume konn-
ten in wenigen Jahren aus diesen Anlagen verkauft
werden, und Kontrakte wurden abgeschlossen, nach
denen, von Gentzrode her, die Bäume zur Bepflan-
zung der auf Berlin einmündenden Chausseen gelie-
fert werden sollten. Es hatte sich nämlich herausge-
stellt daß die auf dem leichten Boden der »Kahlen-
berge« gewonnenen Pflanzbäume zu derartigen An-
lagen vorzugsweise verwendbar waren.
Soviel über die Waldkulturen , denen unausgesetzt ein großes Interesse gewidmet blieb. Indessen, so
groß dasselbe war, so stellte sich doch in einer Art
Gegensatz zu dem ursprünglichen Plan mehr und
mehr heraus, daß, um das Ganze prosperieren zu
lassen, auch das Landwirtschaftliche betont und mit Hülfe eines durch die Brennereiabgänge großzuzie-henden Viehstandes der Acker verbessert werden
müsse. Dies durchzuführen, war es nötig, immer
neue Menschen heranzuziehen, die, nachdem sie mal
da waren, auch untergebracht werden mußten. Und
so entstand in kürzester Frist eine ganze Straße von
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Arbeiterwohnungen: einundzwanzig Familienhäuser,
jedes einzelne zu vier Familien.
Es konnte nicht ausbleiben, daß bei diesem bestän-
digen Wachsen von Gentzrode das Interesse der Fa-
milie ganz in dieser Lieblingsschöpfung aufging und
schließlich dahin führte, wenigstens den Aufenthalt in
Sommertagen »draußen« zur Hauptsache, den drin-
nen in der Stadt zur Nebensache zu machen. Es war
dies eine sehr glückliche Zeit, die zuletzt allseitig den Wunsch entstehen ließ, Gentzrode nicht bloß als Villeggiatur der Familie, sondern als Wohnsitz über-
haupt anzusehen. Dazu war aber ein Hausbau ganz
unerläßlich.
Alexander Gentz selbst hat sehr anschaulich über
diesen Zeitabschnitt, und wie sich schließlich die
Notwendigkeit eines Wohnhauses herausstellte, be-
richtet:
»Durch eine Reihe von Jahren hin«, so schreibt er,
»hatten wir uns mit der Stube des Inspektors be-
gnügt und darin ein gelegentlich mehr als gemütli-
ches Dasein geführt. Versuchte beispielsweise der
Inspektor mit seiner schreienden Stimme Wirt-
schaftsangelegenheiten zu behandeln, so war gewiß
auch ein Torfmeister da, der mit seinen Berichten
aus dem Luch dazwischenfuhr. Und damit nicht ge-
nug. Das Mädchen kam klappernd mit den Tassen in
die Stube, während meine Frau den Kaffeetisch ar-
rangierte. Mäntel und Fußsäcke hingen zwischen
Jagdgewehren und Tabakspfeifen, und die Wirt-
schaftsmamsell kam mit einem Häckselkasten, darin
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eben gelegte Eier lagen, oder mit ein paar Stücken
Butter, die mit nach Ruppin wandern sollten. Und
nun setzten wir uns an den Kaffeetisch, an dem alles
herrschte, nur nicht Ruhe, denn entweder kamen
Tagelöhner und Arbeiter, um die Schlüssel vom
Schlüsselbrett zu holen, oder ein Polier oder Zim-
mergeselle trat ein, um Nägel zu fordern oder ir-
gendwas andres. Alles so primitiv wie möglich. Soviel
Tassen, soviel Größen und Muster, und kamen dann
mehrere von unsren Beamten und Angestellten und
setzten sich mit an denselben Tisch, so wurde der
Aufgußkaffee immer dünner, und der Kümmel, den
wir in der Brennerei leidlich zu mischen verstanden,
mußte aushelfen. Aber demungeachtet waren dies
glückliche Stunden, und wenn Fremde mit uns he-
rausgekommen waren, so wählten wir draußen einen
Platz im Freien und nahmen abends unsre saure
Milch unter einem Holunderbaum an windgeschützter
Stelle. Die Kinder waren glücklich, und der Hang,
dies Idyll zu ändern und mit einem prächtigen Bau
zu vertauschen, war, vielleicht grade weil wir Gentz-
rode so liebten, anfänglich höchst gering. Nach und
nach stellte sich aber doch, und zwar nach aller Mei-
nung, die Notwendigkeit heraus, diesen primitiven
Zuständen ein Ende zu machen, und als ich in die
Lage kam, einen großen, an der Landstraße sich hin-
ziehenden Speicher bauen zu müssen, entschloß ich
mich, diesem Speicher einen turmartigen Anbau zu geben, teils um das Straßenbild zu verbessern, teils
um endlich einige präsentable Wohnräume zu gewin-
nen. Und nach diesem Entschlusse wurde denn
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