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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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    robestücken von unten her in die Höhe und tränkt es
    entweder mit Wasser oder schwemmt es gar hinweg.
    Das weckt dann freilich Stimmungen, die der Vorstel-
    lung von einer wachsenden »Fraternität« des Men-
    schengeschlechts völlig hohnsprechen und zu Unter-
    haltungen führen, von denen es das beste ist, daß
    sie im Winde verklingen.
    Soviel von den Schleppschiffen. Von geringerer Be-
    deutung sind die Passagierboote, die übrigens, wie
    sich von selbst versteht, gelegentlich die Rolle tau-
    schen und auch ihrerseits als »Retter« und »Tyran-
    nen« ganz in der oben geschilderten Weise debütie-
    ren.
    Die Passagierboote gehen von Frankfurt aus zweimal
    wöchentlich, Mittwoch und Sonnabend, und machen
    die Fahrt nach Küstrin in zwei, nach Schwedt in acht,
    nach Stettin in zehn Stunden. Die Benutzung erfolgt
    mehr stationsweise und auf kleineren Strecken als
    für die ganze Tour. Schon deshalb, weil die Eisen-
    bahnverbindung die Reisenden eher und sicherer ans
    Ziel führt. Eher unter allen Umständen, und zwar um so mehr, als es bei niedrigem Wasserstande vorkommt, daß die Fahrt auf Stunden unterbrochen o-
    der gar wohl ganz eingestellt werden muß. Die Regu-
    lierung des Oderbetts, ein in den Zeitungen stehend
    gewordener Artikel, würde diesem Übelstande viel-
    leicht abhelfen und eine Konkurrenz der Dampfschif-
    fe mit der Eisenbahn möglich machen. Damit hat es
    aber noch gute Wege; Flußregulierungen sind nicht
    unsre starke Seite, und so werden sich die beiden
    Passagierboote, die jetzt das Bedürfnis decken, noch

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    längere Zeit mit dem Publikum behelfen müssen, das jetzt zu ihnen hält. Dies Publikum, wenn auch nicht
    zahlreich, ist immerhin mannigfach genug. Tagelöh-
    ner, die auf die Güter, Handwerker, die zu Markte
    ziehen, dazu Kaufleute und Gutsbesitzer, auch gele-
    gentlich Badereisende, besonders solche, die in den
    schlesischen Bädern waren. Nur eine Klasse fehlt, der man sonst wohl auf den Flußdampfern unserer
    Heimat, besonders im Westen und Süden, zu begeg-
    nen pflegt: der Tourist vom Fach , der eigentliche Reisende, der keinen andern Zweck verfolgt, als
    Land und Leute kennenzulernen.
    Dieser »Eigentliche« fehlt noch, aber er wird nicht
    immer fehlen; denn ohne das unfruchtbare und miß-
    liche Gebiet der Vergleiche betreten zu wollen, so sei
    doch das eine hier versichert, daß an den Ufern der
    Oder hin allerlei Städte und reiche Dörfer liegen, die
    wohl zum Besuche einladen können, und daß, wenn
    Sage und Legende auch schweigen, die Geschichte
    um so lauter und vernehmbarer an dieser Stelle
    spricht.
    Sehen wir selbst.
    Es ist Sonnabend um fünf Uhr morgens. An dem
    breiten Quai der alten Stadt Frankfurt, hohe Häuser
    und Kirchen zur Seite – das Ganze mehr oder weni-
    ger an den Kölner Quai zwischen der Schiffbrücke
    und der Eisenbahnbrücke erinnernd –, liegt der
    Dampfer und hustet und prustet. Es ist höchste Zeit.
    Kaum daß wir an Bord, so wird auch das Brett schon
    eingezogen, und der Dampfer, ohne viel Kommando

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    und Schiffshallo, löst sich leicht vom Ufer ab und
    schaufelt stromabwärts. Zur Linken verschwindet die
    Stadt im Morgennebel; nach rechts hin, zwischen
    Pappeln und Weiden hindurch, blicken wir in jenes
    Hügelterrain hinein, dessen Name historischen Klang
    hat trotz einem – Kunersdorf. Wir werden noch oft,
    während unserer Fahrt, an dieses Terrain und diesen
    Namen erinnert werden.
    Der Morgen ist frisch; der Wind, ein leiser, aber
    scharfer Nordost, kommt uns entgegen, und wir su-
    chen den Platz am Schornstein auf, der Wärme ge-
    währt und zugleich Deckung gegen den Wind. Es ist
    nicht leicht mehr, ein gutes Unterkommen zu finden,
    denn bereits vor uns hat ein Gipsfigurenhändler, mit
    seinem Brett voll Puppen, an ebendieser Stelle Platz
    genommen. Er ist aber umgänglich, rückt sein Brett
    beiseite und wartet auf Unterhaltung. Das Puppen-
    brett bietet den besten Anknüpfungspunkt. König
    und Königin; Amor und Psyche; Goethe, Schiller,
    Lessing; drei »betende Knaben« und zwei Windhun-
    de, außerdem, alle andern überragend, eine Aurora
    und eine Flora bilden die Besatzung des Brettes. Der
    Aurora sind ihre beiden Flügel, der Flora das Bouquet
    genommen; beides, Bouquet und Flügel, liegen, wie
    abgelegter Schmuck, zu Füßen der Figuren.
    »Was geht denn so am besten?« eröffne ich die Kon-
    versation.
    »Ja, das ist schwer zu sagen, mein Herr«, erwidert
    der Figurenmann (der sich durch das hierlands

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