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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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alte Göritzer Kirche,
    ein berühmter Wallfahrtsort, auf der Höhe des Hü-
    gels lag und sich mit der Kirche von Reitwein drüben begrüßte. Aber Göritz und seine Kirche sind in jedem
    Sinne von ihrer Höhe herabgestiegen. Keine Wallfah-
    rer kommen mehr, und als sei es nicht länger mehr
    nötig, das berühmte Wallfahrtshaus, die Kirche,
    schon von weither sichtbar zu machen, hat man die
    neue Kirche (nachdem die alte, kurz vor der Zorn-
    dorfer Schlacht, von den Russen zerstört worden
    war) in der Tiefe wieder aufgebaut.

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    Die Göritzer Kirche hat uns zu guter Zeit an die Rus-
    sen und die Zorndorfer Schlacht gemahnt; denn wir
    verlassen eben das Kunersdorfer Terrain, um in das
    von Zorndorf einzutreten.
    Was wir zunächst erblicken, ist Küstrin, turmlos,
    grau, in dünne Nebel gehüllt die alte neumärkische
    Hauptstadt, um deren Rettung es sich handelte, als
    am 21. August 1758 der König von Schlesien her am
    linken Oderufer erschien. Alle Namen zu beiden Sei-
    ten des Flusses erinnern auch hier an Tage bitterer
    Bedrängnis und schwer erkauften Siegs.
    Zuerst Gorgast am linken Oderufer. In Gorgast war
    es, wo der König seine chiffonniert aussehenden
    Truppen mit den glatt und wohlgenährt dastehenden
    Regimentern Dohnas vereinigte und sein Mißfallen in
    die Worte kleidete: »Meine sehen aus wie Grasteufel,
    aber sie beißen.«
    Weiter flußabwärts die Fähre von Güstebiese. Ein
    wenig poetischer Name, aber doch voll guten Klangs.
    Hier setzte der König seine Regimenter über, als er
    von Küstrin aus jenen glänzenden Bogenmarsch aus-
    führte, der ihn, genau da, wo der Gegner einen
    Frontangriff erwartete, plötzlich in den Rücken desselben führte.
    Rechts hin, fast am Ufer des Flusses entlang, dehnt
    sich die Drewitzer Heide – ein grüner Schirm, der
    das eigentliche Schlachtfeld dem Auge des Vorüber-
    fahrenden entzieht. Dahinter liegen die Dörfer und
    Stätten, deren Namen mit der Geschichte jenes blu-

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    tigen Tages verwoben sind: die Neudammsche Müh-
    le, der Zaber- und Galgengrund, endlich Zorndorf
    selbst.
    Wir haben Küstrin passiert – ein scheuer Blick nur
    traf jenen halb verbauten Wallgang zwischen Bastion
    König und Bastion Brandenburg, wo am
    6. November 1730 Kattes Haupt in den Sand rollte –
    ; auch das Schlachtfeld liegt bereits hinter uns, das
    achtundzwanzig Jahre später diesen Terrainabschnitt
    zu historischem Ansehen erhob, und wir fahren nun,
    als hätten sich die Flußufer vorgesetzt, durch Kon-
    traste zu wirken, in jene friedlich-fruchtbaren Ge-
    genden ein, die, vor 100 oder 150 Jahren noch ein
    ödes, wertloses Sumpfland, seitdem so vielfach und
    mit so vielem Recht die Kornkammern unseres Lan-
    des genannt worden sind. Das Oderbruch dehnt sich auf Meilen hin zu unserer Linken aus.
    Der Anblick, den es, im Vorüberfahren, vom Fluß aus
    gewährt, ist weder schön und malerisch, noch verrät
    er eine besondere Fruchtbarkeit; gegenteils, das
    Vorland, das sich dem Auge bietet, macht kaum den
    Eindruck eines gehegten Stück Wiesenlands, wäh-
    rend die Raps- und Gerstenfelder, die sich golden
    dahinter ausdehnen, dem Auge durch endlose
    Damm- und Deichwindungen entzogen werden.
    Durch Damm und Deiche, die freilich, indem sie die
    Niederung gegen ihre früheren Überschwemmungen
    schützten, erst den Reichtum schufen, der sich jetzt
    hinter diesen Linien verbirgt.

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    Der Reichtum dieser Gegenden offenbart sich uns
    nicht in seinen goldenen Feldern, aber wir erkennen
    ihn doch an seinen ersten und natürlichsten Folgen –
    an den Dörfern, die er geschaffen. Da gibt es kein
    Strohdach mehr, der rote Ziegel lacht überall aus
    dem Grün der Wiesen hervor, und statt der dürftig
    hölzernen Kirchtürme des vorigen Jahrhunderts, die
    kümmerlich wie ein Schilderhaus auf dem Kirchen-
    dach zu sitzen pflegten, wachsen jetzt in solidem
    Backsteinbau – die Campanellen Italiens oft nicht
    unglücklich kopierend – die Kirchtürme in die Luft.
    An diesem Reichtume nehmen die Dörfer des andern
    (rechten) Oderufers teil, und ansteigend an der Hü-
    gelkette gelegen, die sich eine Meile unterhalb
    Küstrin am rechten Oderufer hinzuziehen beginnt,
    gesellen sich Schönheit und malerische Lage, viel
    mehr, als man in diesen Gegenden erwartet, zu dem
    Eindruck des Reichtums und beinahe holländischer
    Sauberkeit.
    Nun sind wir über Amt Kienitz (ein altes Dorf, vor
    zwei Jahrhunderten dem General Görtzke, dem »Pa-
    ladin des Großen Kurfürsten«, gehörig) und

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