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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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großen
    Königs in einer gewissen, wenn auch selbstverständ-
    lich, der ganzen Anlage des Werkes nach, vielfach
    eingeschränkten und lückenhaften Ausführlichkeit zu
    schildern, so hat Band II es mir ermöglicht, die Tage
    des Großen Kurfürsten in einer ähnlich bedingten
    Vollständigkeit zu geben. In »Prenden«, »Frieders-

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    dorf«, »Gusow«, »Tamsel«, »Möglin« und »Prädi-
    kow« steckten, lokaliter eingekapselt, die Lebensge-
    schichten der Sparrs, Görtzkes, Derfflingers, Schö-
    nings und Barfus', und in diesen Lebensgeschichten
    wiederum lebte die Geschichte der ganzen Zeit.
    Auch in Zukunft werd ich ähnliche Zusammenfassun-
    gen, die Darstellung ganzer Epochen innerhalb eines
    engen Rahmens, als wünschenswertes Ziel im Auge
    behalten.
    Für heute beschränk ich mich auf den Wunsch, die-
    sem zweiten Bande der »Wanderungen« auch in sei-
    ner neuen Gestalt die Zustimmung alter Freunde
    gewahrt zu sehen.
    Berlin, 18. Oktober 1879
    Th. F .

    1. Schloß Kossenblatt, wiewohl örtlich einem andern Landesteile (Beeskow-Storkow) zugehö-
    rig, mußte hier inhaltlich , um der Biographie
    des Feldmarschalls von Barfus einen Abschluß
    zu geben, mit aufgenommen werden.

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    Das Oderbruch und seine
    Umgebungen
    Von Frankfurt
    bis Schwedt Saßen all auf dem Verdecke, Glocken klangen, alte Zeit,
    Und der Himmel wurde blauer,
    Und die Seele wurde weit.

    Zwischen Frankfurt und Stettin ist während der
    Sommermonate ein ziemlich reger Dampfschiff verkehr. Schleppschiffe und Passagierboote gehen auf
    und ab, und die Rauchsäulen der Schlote ziehen ih-
    ren Schattenstrich über die Segel der Oderkähne hin,
    die oft in ganzen Geschwadern diese Fahrt machen.
    Von besonderer Wichtigkeit sind die Schleppdampfer.
    Handelt es sich darum, eine wertvolle Ladung in kür-
    zester Frist stromauf zu schaffen, so wird ein
    Schleppschiff als Vorspann genommen, und in vier-
    undzwanzig Stunden ist erreicht, was sonst vielleicht
    vierzehn Tage gedauert hätte. Ihre eigentlichen Tri-
    umphe aber feiern diese Schleppschiffe, wenn sie,
    wie von ohngefähr, plötzlich inmitten einer kritisch
    gewordenen Situation erscheinen und durch ihre blo-
    ße Erscheinung die Herzen der geängstigten Schiffer
    wieder mit Hoffnung erfüllen. Sie sind dann, was der
    Führer für den Verirrten, was der Zuzug für die Ge-
    schlagenen ist, und beherrschen natürlich die Situa-

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    tion. Diese Situation ist fast immer dieselbe: entwe-
    der hat der Rettung erwartende Kahn sich festgefah-
    ren und müht umsonst sich ab, wieder flott zu wer-
    den, oder aber, er ist in ein mit Flößen verfahrenes
    Défilé geraten, so daß jeden Augenblick ein Zusam-
    menstoß zu gewärtigen steht. Im ersteren Falle han-
    delt es sich um Kraft , im anderen Falle um Geschick und Schnelligkeit , um das Bedenkliche der Lage zu überwinden, und der Schleppdampfer ist in der
    glücklichen Verfassung, beides, je nach Bedürfnis,
    bieten zu können. Aber freilich – gegen Zahlung. Nun
    beginnen die tragikomischsten Unterhaltungen, die
    man sich denken kann. Sie werden vom Kajütendach
    des Oderkahns einerseits, andererseits vom Radkas-
    ten des Dampfers aus geführt. Der geängstigte
    Schiffer hebt zunächst einfach seine Hand in die Höh,
    alle fünf Finger deutungsreich ausspreizend. Der
    Mann auf dem Radkasten schlägt eine verächtliche
    Lache auf und donnert seinen Befehl zu größerer Eile
    in den Maschinenraum hinunter, bis das bittende
    »Hallo« des Schiffers ihn wieder zu einem »stop«
    bestimmt. Der Schiffer hebt jetzt seine Hand mit den
    gespreizten Fingern zweimal in die Luft. Dasselbe Lachen als Antwort. So geht es weiter, bis der Kahnführer, der, namentlich wenn er zwischen Holzflößen
    steckt, seinen Ruin vor Augen sieht, die Summe be-
    willigt, die der Kapitän des Dampfers zu fordern für
    gut befindet. Diese Forderungen wechseln, da der
    letztere, mit scharfem Auge, je nach dem Grad der
    Gefahr, auch die Taxe bestimmt. Es kommt vor, daß
    der geängstigte Schiffer seine fünf Finger zehnmal
    erheben, das heißt also, seine Befreiung aus dem

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    verfahrenen Défilé mit fünfzig Talern preußisch be-
    zahlen muß.
    Die Schleppdampfer, wie hieraus genugsam erhellen
    wird, spielen also auf der Oderstrecke, die sie befah-
    ren, die Doppelrolle des Retters und des Tyrannen , und im Einklang mit dieser Doppelrolle ist auch die
    Empfindung, mit der sie seitens der Schiffer betrach-
    tet werden. Man liebt sie oder haßt sie. Alles, je
    nachdem

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