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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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des 21. Martii,
    zwischen zwölf und ein Uhr, ist der edle, gestrenge
    und ehrenfeste Hans von Uchtenhagen, dieses Städt-
    leins Erbherr und Junker und der letzte dieses Ge-
    schlechts, selig im Herrn eingeschlafen und verschie-
    den und danach, am Sonntag Exaudi (war der
    17. Mai), allhier in Sankt-Nikolaus-Kirche unter den
    Altar in sein gewölbtes Begräbnis, nach adliger Wei-
    se, zu seiner in Gott ruhenden Frauen und Söhnlein
    gesetzet, da er in seinem ganzen Alter das vierund-
    sechzigste Jahr erreicht hatte.« Soweit das Kirchen-
    buch.
    Helm und Schild waren ihm in die Gruft gefolgt, Frei-
    enwalde wurde kurfürstlich, und nur das Wappen der
    Stadt: das rote Rad im silbernen Felde, deutet bis
    diesen Tag auf die Uchtenhagensche Zeit.

    Das Geschlecht ist erloschen, und es erübrigt uns
    nur noch die Frage: Was blieb in Freienwalde und
    Umgebung von Erinnerungsstücken an die Uchten-
    hagensche Zeit? Doch noch mancherlei. Das wohler-

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    haltene und bis diese Stunde bewohnte Amtshaus
    des Dorfes Neuenhagen, früher eines der Schlösser
    der alten Familie, darf an sich als ein solches Erinne-
    rungsstück gelten, und die gewölbte Schloßkapelle
    mit Stuckaltar und symbolischen Figuren1)verlohnte
    wohl, zu anderer Zeit, eine eingehendere Bespre-
    chung, als ich ihr in unten stehender Anmerkung
    gebe.
    Aber heute verweilen wir an dieser Stelle nicht län-
    ger und treten vielmehr dort ein, wo die alte Zeit der Uchtenhagens in Bild und Wort am vernehmlichsten
    zu uns spricht: in die alte Kirche von Freienwalde.
    Die Uchtenhagens haben sie gebaut, und sie ist das
    eigentliche und beste Monument des heimgegange-
    nen Geschlechts. Bis vor wenigen Jahren lagen noch
    verschiedene Grabsteine vor den Stufen des Altars,
    unter dem in gewölbter Gruft die Toten ruhten – nun
    sind die Grabsteine fort, und die Gruft ist verschüt-
    tet. Aber anderes ist geblieben. Über der niedrigen
    Sakristeitür, zur Linken des Altars, befindet sich das
    beinah lebensgroße Bildnis Kaspars von Uchtenha-
    gen, desselben, von dem die Sage erzählt, daß Bos-
    heit ihn vergiftet habe. Das Bild ist, mit Rücksicht auf die Zeit, in der es entstand, eine vorzügliche Arbeit.
    Beschreib ich es. Ein Tischchen steht zur Seite, mit
    einer roten Decke darüber; auf dem Tische liegt die hohe Sammetmütze des Knaben, in Form und Farbe
    den Otterfellmützen nicht unähnlich, denen man
    noch jetzt in den Oderbruchgegenden begegnet; vor
    dem Tisch aber steht der Knabe selbst, blaß, durch-
    sichtig, mit schmalen Lippen und rotblondem Haar,
    ein feines Köpfchen, klug und durchgeistigt, aber wie

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    vorausbestimmt zu Leid und frühem Tod. Seine Klei-
    dung zeigt reicher Leute Kind. Über dem roten Un-
    terkleid trägt er einen grünen Überwurf mit reichem
    Goldbesatz, und eine getollte Halskrause, weiße Är-
    melchen und schwarze Sammetschuhe vollenden
    seine Kleidung und Erscheinung. In der Rechten hält
    er eine schöne, große Birne, während ein Bologneser
    Hündchen bittend, liebkosend an ihm emporspringt.
    Die Umschrift aber lautet: »Da ich, Kaspar von Uch-
    tenhagen, bin gewest diesergestalt, war ich vierte-
    halb Jahr alt Anno 1597, den 18. November.«
    Es ist ersichtlich, daß dies überaus anziehende Bild,
    das wirklich eine Geschichte herauszufordern
    scheint, die äußere Veranlassung zu jener Sage ge-
    geben hat, die ich bereits erzählt habe. Die Birne,
    das Hündchen, der Ausdruck von Wehmut in den
    Zügen, dazu der frühe Tod – es hätte, der Kiezer und
    ihrer sagenbildenden Kraft ganz zu geschweigen, in
    den Herzen der Freienwalder selbst kein Fünkchen
    Poesie lebendig sein müssen, wenn sie sich die Gele-
    genheit hätten entgehen lassen wollen, aus so dank-
    barem und so naheliegendem Stoff eine Sage ins
    Leben zu rufen.
    Wir freuen uns, daß die Sage da ist, möchten sie
    nicht missen, aber sie ist eben Sage und nicht mehr.
    Der Beweis ist mit Leichtigkeit zu führen. Das Bildnis
    selbst belehrt uns in seiner Umschrift, daß es gemalt
    wurde, als Kaspar von Uchtenhagen ist »vierthalb
    Jahre alt gewest«. Er muß also, da wir die Birne auf
    diesem Bilde bereits erblicken, besagte Birne, wenn
    er sie überhaupt aß, mit viertehalb Jahren gegessen

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    haben. Kaspar von Uchtenhagen starb aber erst
    sechs Jahre später, und würden wir, um der Sage gewaltsam eine historische Grundlage zu geben,
    durchaus annehmen müssen, daß die durch Brauen
    von Gifttränken niemals berühmt gewesene Mark
    Brandenburg eine selbst

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