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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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meinem Gedankengange ge-
    folgt sein mußte, sagte ruhig: »Das ist dem Müller
    seiner; der andere blafft nicht.« Und die Ruhe, mit der er dies sagte, überhob mich jeder Verlegenheit.
    So kamen wir endlich auf der Kuppe des Hügels an.
    An der Rückseite desselben befinden sich noch
    halbmannshohe Mauerreste, mit deren Hülfe sich die
    Grundform der ehemaligen Burg, besonders aber des
    Burgtors, vielleicht bestimmen ließe. Der Eingang in
    das letztere, noch deutlich erkennbar, wird irrtümlich
    als Kellereingang bezeichnet, weil sich die Phantasie
    der Kiezer am liebsten mit Kellergewölben und den
    Trampeschen Fässern beschäftigt.
    Wir unsrerseits maßen zunächst die Überbleibsel der
    alten Umfassungsmauer aus, setzten uns dann, ei-
    nen Strauch als Lehne, auf die Trümmerwand und
    blickten in die Schlucht nieder, auf der Elsen- und
    Birkengebüsch so dicht, so still, so schwellend he-
    raufzusteigen schien, wie Blätter aus einem Korbe
    quellen, in den sie zuvor gepreßt wurden. Und dazu
    klang es in der Tiefe wie ein Quell, der über Kiesel
    fällt. Ich fragte: »Ist das ein Wasser unten?« – »Ja.«
    – »Wie heißt es?« – »Das klingende Fließ .« Sonst war alles ruhig. Der Führer, längst gesprächig geworden, fing an zu erzählen von Pfingst- und Maien-

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    nächten, wenn unten in Tal und Schlucht die Rehe
    schrein und hoch über dem Berg, als wär es der
    Kyffhäuser, die Dohlen kreischen. Aber es war nicht
    Mai, nicht Pfingsten mehr, kein Reh schrie durch die
    Nacht selbst der Hundeblaff in der Mühle schwieg.
    Nur das klingende Fließ klang nach wie vor im Silber-
    ton zu uns herauf.

    So fanden wir den Schloßberg. Wir verließen ihn, um
    heimkehrend uns der Frage zuzuwenden: Was er-
    zählt uns die Geschichte – sie , die jede Auskunft ü-
    ber den Schloßberg selbst verweigert – von den Be-
    wohnern desselben, von den Uchtenhagens?
    Die historische Zeit der Uchtenhagen umfaßt einen Zeitraum von etwa drittehalb Jahrhunderten.
    1367 wird ihrer zum ersten Male gedacht, und 1618
    erlischt das Geschlecht. Eine Urkundensammlung,
    wie sie neuerdings unter Benutzung der verschie-
    densten Archive veröffentlicht worden ist, hat die
    Herstellung einer Stammtafel ermöglicht, der wir –
    und dadurch mittelbar der Urkundensammlung selbst
    – einen mühelosen Verkehr zwischen oben und un-
    ten, zwischen Anfang und Ende des Geschlechts ver-
    danken. Aber wir verdanken ihr nichts, was als eine
    historische Tat der Uchtenhagens angesehen werden könnte. Vielmehr fehlt nach dieser Seite hin all und
    jedes. Wir begegnen ihnen weder in Kostnitz noch in
    Worms; wir sehen sie weder unter Friedrich dem
    Eisernen vor Bernau noch zu Joachim Hektors Zeiten
    bei Mühlberg; wir sehen sie weder gegen die Hussi-

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    ten noch gegen die Türken im Felde und dürfen eben
    nur annehmen , daß sie nirgends gefehlt haben werden, wo es galt, dem Rufe des Kurfürsten zu folgen
    oder für die Ehre des Landes einzustehen.
    Noch einmal also, das urkundliche Material bietet uns
    landes- oder allgemeingeschichtlich nichts, es belehrt
    uns aber über die Vermögensverhältnisse der Familie
    und zeigt uns dieselbe in ihren Beziehungen zu ihren
    Lehnsmännern, Burgleuten und Hintersassen oder,
    wenn uns der Ausdruck gestattet ist, in den Verwal-
    tungsgrundsätzen, wonach sie die Regierung ihres
    ziemlich ausgedehnten Besitzes leiteten, eines Besit-
    zes, der nach Quadratmeilen rechnete und Städte
    umschloß. Da finden wir denn die Uchtenhagens,
    allen alten Sagen, »wie sie sich die Kiezer erzählen«,
    zum Trotz, als wahre Muster ritterlichen Wandels;
    fromm, sittig, ehrbar in ihrem Hause, mild, helfend,
    fürsorglich nach außen hin. Sie bauen Kirchen und
    schenken Glocken, sie schützen die Bürger in ihrem
    Recht und ihrem Besitz, sie belohnen den Rat Frei-
    enwaldes mit neuen Feldmarken, sie vertreten die
    Stadt vor dem Kurfürsten und erwirken ihr Jahr-
    marktstage und Freiheit von Zoll und Abgaben.
    Nichts, was die finsteren Märchen rechtfertigte, die
    in Spinnstuben bis diesen Tag mit Graus und Beha-
    gen geflüstert werden, vielmehr in allem die Anzei-
    chen einer Regierungskunst im kleinen, dabei, in
    bestem Sinne, das Bewußtsein von den Rechten und
    Pflichten des Regiments. Ein Spruch im Freienwalder
    Stadtarchive gibt uns Auskunft darüber, aus wel-
    chem Glauben und Meinen heraus die Uchtenhagen
    ihre Herrschaft übten.

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    All' Obrigkeit, die ist von Gott
    Und soll handhaben sein Gebot.
    Es soll ihr

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