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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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würden das Bild wohl
    erweitern, aber nicht lebendiger machen. Auch das,
    was wir sonst wohl heranzuziehen gewohnt sind: die
    Grabsteine in der Kirche, die Sagen und Traditionen
    im Dorfe selbst – alles versagt gleicherweise den
    Dienst. Die Kirche hat aufgeräumt mit den alten Hin-
    terlassenschaften, selbst der Name Quilitz ging ver-
    loren, und nur die Kleidung seiner Bewohnerinnen ist
    noch wie eine Art Tradition aus der Wendenzeit her
    geblieben. Frauen und Mädchen des Dorfes tragen
    noch den roten, vielgefalteten Friesrock, das geblüm-
    te Mieder, den breiten Überfallkragen, das ganze

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    malerische Kostüm, das ich an anderer Stelle bereits
    ausführlicher beschrieben habe.
    Einigermaßen Leben und Farbe gewinnt die Ge-
    schichte von Quilitz erst mit dem Jahre 1763, und
    wir wenden uns deshalb, mit Übergehung alles des-
    sen, was vorher liegt, dieser Epoche zu.

    Quilitz von 1763 bis 1814
    Nach dem Tode des Markgrafen Karl fielen die am
    Rande des Oderbruchs gelegenen Güter desselben,
    Friedland und Quilitz, an die Krone zurück. Aber
    nicht auf lange; Friedrich II. verschenkte sie im sel-
    bigen Jahre noch, und zwar gab er Friedland an den
    damaligen Major von Lestwitz, »den Sieger von Tor-
    gau«, Quilitz an den Oberstlieutenant von Prittwitz,
    der in der Schlacht bei Kunersdorf, als Rittmeister
    bei den Zietenschen Husaren, den König vor drohen-
    der Gefangenschaft gerettet hatte. Gegen beide Offi-
    ziere unterhielt der König seit den genannten beiden
    Tagen ein verwandtes Gefühl besonderer Dankbar-
    keit. »Lestwitz hat den Staat , Prittwitz hat den König gerettet«, so hieß es damals sprichwörtlich.
    »Lestwitz a sauvé l'état, Prittwitz a sauvé le roi.«
    Die Rettung des Königs durch Prittwitz wird ver-
    schieden erzählt. Die gewöhnliche Darstellung des
    Hergangs ist die folgende:

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    »Als gegen Abend die preußischen Truppen nach
    übermenschlicher Anstrengung und Tapferkeit end-
    lich zurückgeworfen waren und fast aufgelöst das
    Schlachtfeld verließen, war der große König in Ver-
    zweiflung, und man hörte ihn die Worte rufen: ›Kann
    mich denn heute keine verwünschte Kugel treffen!‹
    Zwei Pferde waren ihm unter dem Leibe erschossen
    worden, und eine dritte Kugel hatte ihm ein goldenes
    Etui in seiner Westentasche zerdrückt.1) Nach dem
    schnellen Rückzuge des Heeres streifte noch Joachim
    Bernhard von Prittwitz mit einem Trupp von etwa
    fünfzig seiner Zietenschen Husaren auf dem
    Schlachtfelde umher. Als auch er endlich sich vor
    den andrängenden Kosakenschwärmen zurückziehen
    wollte, rief ihm der Unteroffizier Velten, der, später
    geadelt, als Major in der Rheincampagne fiel, zu:
    ›Herr Rittmeister, da steht der König !‹ Sich umwen-dend, erblickte Prittwitz den König, der fast allein
    und nur in Begleitung eines Pagen, welcher sein
    Pferd hielt, auf einem Sandhügel des sogenannten
    Mühlberges stand. Er hatte seinen Degen vor sich in
    die Erde gestoßen und blickte mit verschränkten Ar-
    men dem herannahenden Verderben entgegen. Eilig
    sprengte Joachim Bernhard auf ihn zu, doch nur mit
    Mühe vermocht er ihn zu überreden, sich aufs Pferd
    zu werfen und auf seine Rettung bedacht zu sein.
    Endlich folgte der König seinen Bitten, indem er rief:
    ›Nun, Herr, wenn Ihr meint, vorwärts.‹ Aber schon
    waren die Kosaken ganz nahe gekommen. Joachim
    Bernhard wandte sich um und schoß den feindlichen
    Offizier vom Pferde. Dies machte die Verfolger einen
    Augenblick stutzen, der König gewann mit seiner
    kleinen Schar einen Vorsprung, und jene vermochten

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    ihn nicht wieder einzuholen. Mehrmals rief er dabei
    aus: ›Prittwitz, ich bin verloren!‹ Auf diese Weise
    rettete sich Friedrich vom Mühlberg herab ins Tal,
    über die sogenannte große Mühle, hinter deren Défi-
    lén er vorläufig sicher war. Hier ritt er auf die erste Anhöhe und sah auf die zerschossenen Bataillone,
    die vorüberzogen. Mit Tränen in den Augen rief er
    ihnen zu: ›Kinder, verläßt mich heute nicht, euren
    König, euren Vater.‹ Und dann ritt er weiter und kam
    spätabends nach dem Dorfe Ötscher. Auf dem Rü-
    cken Joachim Bernhards schrieb er hier mit Bleistift
    an den Minister Finckenstein in Berlin die berühmt
    gewordenen Worte: ›Alles ist verloren, retten Sie die
    königliche Familie, Adieu für immer.‹ Während in
    Ötscher der unglückliche König, nur von wenigen
    Getreuen umgeben, sich aufs Stroh warf, sammelte
    Joachim Bernhard die aufgelösten Trümmer

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