Wanderungen durch die Mark Brandenburg
es ein Zug milder Schwermut, der den Kopf
charakterisiert und anziehend macht. Das Portrait
des alten Prittwitz, ebenfalls Brustbild, zeigt uns den General wahrscheinlich in der Uniform des Regiments
Gensdarmes, dessen Commandeur en chef er
seit 1775 war. Auf dem roten (pfirsichblütfarbenen)
Frack ruht das breite Orangeband des Schwarzen
Adlerordens. Die Farbe des Ordensbandes wirft einen
gelben Reflex auf das ohnehin leberfarbene, wenig
anziehende Gesicht, dessen Griesgrämigkeit unter
dem gelben Lichte noch zu wachsen scheint.
1793 starb General von Prittwitz, 1799 seine Witwe.
Quilitz blieb aber noch eine Reihe von Jahren hin-
durch in Händen der Familie, und zwar im Besitz des
Geheimen Finanzrats Friedrich Wilhelm Bernhard von
Prittwitz, geboren 1764, gestorben 1843, ältesten
Sohnes des Generals. Herr von Prittwitz stand zu
Hardenberg und Stein in naher Beziehung, nahm
aber 1808 seinen Abschied und lebte seitdem ganz in
Quilitz, bis er die Herrschaft 1810 an den Staat ver-
kaufte (mittelst Tausch) und dafür die frühere Props-
tei Kasimir im Leobschützer Kreise Oberschlesiens
erwarb.
Aus diesen Jahren, wo von Prittwitz der Jüngere die
Herrschaft innehatte, wissen wir wenig über Quilitz
zu berichten, es sei denn, daß von 1801 bis 1803 der
damals zwanzigjährige Schinkel hier seine ersten
architektonischen Versuche machte. Er begann mit
dem Kleinsten, und zwar mit zwei Wirtschaftsgebäu-
den, von denen das eine auf dem Vorwerk Stuthof,
das andere auf dem Vorwerk Bärwinkel errichtet
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wurde – zwei Ortsnamen, die fast noch weniger wie
die Aufgabe selbst imstande waren, seinen Genius zu
beflügeln. Aber dieser war eben da und bewies sich
im Kleinen, wie er sich später im Großen bewies.
Wenn an diesen frühesten Bauten Schinkels – nur
ein Gartensaal im Flemmingschen Schloß zu Buckow
ist noch älter – etwas zu tadeln ist, so ist es das, daß der Genius des jungen Baumeisters, der Zug nach
idealeren Formen sich hier an der unrechten Stelle
zeigt. Diese Wirtschaftsgebäude machen etwa den
Eindruck, wie wenn ein junger Poet einen wohlstili-
sierten und bilderreichen Brief an seine Wirtsfrau
oder deren Tochter schreibt. Der Stil, die Sprache
sind an und für sich tadellos, nur die Gelegenheit für
den poetischen Ausdruck ist schlecht gewählt; Ge-
meinplätze wären besser. Schinkel selbst, der in spä-
teren Jahren mit so besonderem Nachdruck der An-
lehnung an das Bedürfnis das Wort redete, würde
diese, einer höheren Form huldigenden Wirtschafts-
gebäude, speziell das auf dem Vorwerk Bärwinkel,
zwar mit Interesse, aber sicherlich auch mit Lächeln
wieder betrachtet haben. Indessen, wie jugendlich
immer: ex ungue leonem. Je unverkennbarer dies
hervortritt, um so auffallender ist es, daß eine Zu-
schrift an Herrn von Wolzogen, den Herausgeber der
Schinkelschen Briefe, gerade dieses interessante,
aus Raseneisenstein und Eisenschlacken errichtete
Wirtschaftsgebäude dem Zimmermeister Tietz in
Friedland und dem Maurermeister Neubarth in Wrie-
zen hat zusprechen wollen. Herr von Wolzogen hält
dieser Zuschrift gegenüber seine ursprüngliche, auf
einen Ausspruch Waagens gestützte Ansicht zwar
aufrecht, aber doch mit einer gewissen Unsicherheit,
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die, wir zweifeln nicht daran, beim Anblick des Ge-
bäudes selbst sofort der festen Überzeugung Platz
machen würde: dies ist von Schinkel und von niemand andrem. Es ist sehr die Frage, ob die architek-
tonischen Kräfte zweier kleiner Städte selbst in un-
sern Tagen, nachdem Schinkel eine Schule herange-
bildet hat, fähig sein würden, einen so originellen,
alle Schablone vielleicht nur allzusehr verleugnenden
Bau aufzuführen, damals aber (1803) vermochten es
die vereinten Baukräfte von Friedland und Wriezen
sicherlich nicht . Ich neige mich sogar der Ansicht zu, daß die Verwendung von Schlacke und Raseneisenstein, eines Materials, das hierlandes nie als Bauma-
terial verwendet worden ist, dort aber zufällig zur
Hand war, allein schon als Beweis dafür dienen darf,
daß der Bau von Schinkel herrühren muß. Gerade in
dieser genialen Benutzung des zufällig Gebotenen
war er ja so hervorragend. Das Ganze (ein Molken-
haus) hat die Form einer Basilika: ein Hochschiff und
zwei niedrige Seitenschiffe. Wenn aber eine Basilika
die prachtvolle breite Giebelwand nach vorne stellt
und dieselbe als Portal benutzt, so hat Schinkel bei
diesem Bau das umgekehrte Arrangement
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