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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Geistes und von
    einer steten Geneigtheit zeigen, das Gute durch das
    Bessere zu ersetzen. »Meine Meinung«, so schreibt
    er, »habe ich über verschiedene Dinge in meinem
    Leben oft geändert und hoffe es, wenn mir Gott Le-
    ben und Verstand erhält, noch mehrmals zu tun. Es
    freut mich immer, wenn ich Gründe dazu habe, denn
    so komme ich in meinem Wissen vorwärts. Ich halte
    den für einen Toren, der in Erfahrungssachen seine
    Meinung zu ändern nicht geneigt ist .«
    Wir werfen noch einen Blick auf die letzten Jahre
    seines Lebens. Nachdem er schon seit 1810
    und 1811 mittelbar im Staatsdienste tätig gewesen
    und zum Beispiel 1813 eine Ge meinheitteilungsord-
    nung – eine Angelegenheit, mit der er auch später praktisch viel beschäftigt war – entworfen hatte,
    wurd er 1819 zum Geheimen Oberregierungsrat er-
    nannt. 1823 folgte der schon erwähnte Leipziger
    Wollkonvent, dem er präsidierte; das Jahr dar-
    auf (1824) feierte er unter zahlreicher Beteiligung
    von nah und fern sein Doktorjubiläum. Unter den
    vielen Geschenken und Überraschungen, die der Tag

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    brachte, war auch ein Goethesches, eigens für die-
    sen Tag gedichtetes Lied:
    Wer müht sich wohl im Garten dort
    Und mustert jedes Beet?
    1825 auf 1826 erweiterte er seinen Besitz durch An-
    kauf der benachbarten Rittergüter Lüdersdorf und
    Biesdorf, und dieser neue Besitz regte seinen land-
    wirtschaftlichen Eifer noch einmal auf das lebhafteste
    an. Aber das Feuer war im Erlöschen. Schon das Jahr
    zuvor hatte er an seinen Schwager Jacobi in Celle
    geschrieben: »Wir haben nun bald unsere Laufbahn
    auf dieser Welt vollendet. Wir können vor vielen an-
    dern sagen, daß unser Leben köstlich gewesen, aber
    doch nur ein elend jämmerlich Ding. Mit Sehnsucht
    erwarten wir ein anderes; Gott erleichtere uns den
    Übergang in dasselbe.« Noch einige Jahre waren ihm
    gegönnt, aber Schmerzensjahre. Er litt an rheumati-
    schen Beschwerden, endlich bildete sich ein
    schmerzhaftes Fußleiden aus, der Altersbrand . Er litt sehr. Des berühmten Dieffenbach Heilversuche
    schafften vorübergehend Linderung, aber die Uhr
    war abgelaufen: Thaer entschlief am
    26. Oktober 1828.
    Thaer war von mittlerer Größe, fein und schlank ge-
    baut, in allen Teilen von gutem Verhältnis und von
    fester, ruhiger, immer bequemer Haltung und Bewe-
    gung. Sein Äußeres war im ganzen nichts weniger als
    imponierend, hatte jedoch etwas trocken Ablehnen-
    des, so daß sich der Fremde nicht leicht auf den ers-

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    ten Blick zu ihm hingezogen fühlte. Seine Züge zeig-
    ten wenig Beweglichkeit; der Mund war geschlossen,
    zurückgezogen, schweigsam, aber mit dem unver-
    kennbaren Ausdruck der absichtslosesten Güte. Sei-
    ne Augen waren rechte Künstleraugen, sehr bedeu-
    tend und von ungewöhnlicher Klarheit; dabei ruhig
    prüfend, man fühlte, daß er auch den verborgenen
    Fleck traf. Sein gutes, weiches Herz verriet sich
    leicht, auch bei geringerer zufälliger Anregung. Was
    man jedoch ein gefälliges Wesen nennt, war ihm
    sowenig eigen wie jede Art oberflächlicher Liebens-
    würdigkeit. Als Schriftsteller innerhalb seines Fachs
    gehört Thaer in den höchsten Rang. Er war nicht
    eigentlich ein erfindendes Genie, aber er fand seine
    Stärke in der beharrlichsten Anwendung seines ge-
    sunden Verstandes und sehr ausgebildeten Scharf-
    sinns. Daß er gleich anfangs sich einer fast allgemei-
    nen Anerkennung zu erfreuen hatte, verdankte er
    ganz vorzüglich seiner Aufrichtigkeit und Treue in Erzählung von Tatsachen und der edlen Offenherzig-keit , mit welcher er auch das erzählte, worin er sich früher geirrt hatte. Das Bewußtsein seines großen
    Ziels machte ihn stark, fest, beharrlich, mutig; seine
    Leistungen aber schienen ihm immer unzulänglich, ja
    selbst geringfügig gegen das, was seiner Seele vor-
    schwebte. Ein Jagen nach Berühmtheit, wie es sich
    bei weniger Begabten so oft findet, blieb ihm durch-
    aus fremd. Untersuchen, forschen, prüfen war ihm
    von Jugend auf wie zur zweiten Natur geworden, und
    die Verse Hagedorns erschienen wie an ihn gerichtet:
    Der ist beglückt, der sein darf, was er ist,
    Der Bahn und Ziel nach eignem Auge mißt;

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    Nie sklavisch folgt, oft selbst die Wege weiset,
    Ununtersucht nichts tadelt und nichts preiset.
    Sein Leben, wie er selbst schreibt, war köstlich ge-
    wesen, dennoch empfand er zuletzt die »Sehnsucht
    nach einem anderen«, wo kein Suchen und kein For-
    schen ist. Wir aber, die wir noch inmitten des

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