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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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haben scharfe Zähne und einen langgestreckten Körper, dazu eine gewisse
    Kadenz, die genaugenommen ihr Grundprinzip ist
    und ihnen das Leben gibt. Es ist eine böse Race,
    jüngst vom Parnaß angekommen, wo sie der gute
    Geschmack nicht länger dulden wollte. Ein gleiches
    Schicksal wird ihrer in Tamsel harren. Wie immer
    dem sein möge, ich freue mich, daß Apollo sich auf-
    gerafft hat, um seinen Musenberg von der Spreu der
    nüchternen Poeten zu säubern. Sein Staubbesen hat
    gründlich aufgeräumt. Ich selbst freilich bin unter
    den zumeist Getroffenen; aber ich verzeihe alles,
    verzeihe es um so lieber, als ich sehr wohl weiß, daß
    überall da, wo dem Bösen seine Strafe wird, auch
    das Gute seinen Lohn erhält. Sie, Madame, werden
    diesen Lohn empfangen, und ich bitte Sie dann um
    Ihr allergnädigstes Fürwort. Sagen Sie dem Apoll,
    daß er als Directeur der Künste und Wissenschaften
    eigentlich doch zu grob operiert und mich kaum noch
    als einen Mann von Ehre behandelt habe. Bitte, sa-
    gen Sie ihm ferner, daß es eigentlich nur ein Mittel gäbe, solche Züchtigungen und Backenstreiche er-träglich zu machen, nämlich die Stiftung eines Or-
    dens vom schlechten Reim . Willigt er darin, so kann er uns von da ab treffen, wie er will, wir werden es
    ruhig und dankbar hinnehmen – Ritter , die wir dann sind.«
    So der Brief. Der Kronprinz hat in den ersten Zeilen
    desselben ein ganzes Heer von Versen angekündigt,
    »Sechsfüßler mit scharfen Zähnen und langgestreck-
    tem Körper«, und diese Verse, die dem Briefe beilie-

    1390
    gen, so wie andere, die später folgten, beschäftigen
    uns jetzt. Alle teilen sie sich in zwei Gruppen: in solche, die in direkter Huldigung gegen die schöne Frau
    geschrieben sind, und in solche, die ihr bloß zur Kri-
    tik vorgelegt werden.
    Eine Ode , an Frau von Wreech gerichtet, eröffnet den Reigen. Man muß es damals mit den Gattungs-einteilungen nicht allzu genau genommen haben,
    denn die Zeilen verhalten sich zu dem Schwung einer
    wirklichen Ode, wie sich Kotzebues »Armer Poet«
    zum Goethischen »Tasso« verhält. Der Prinz erklärt,
    daß er Frau von Wreech liebe; daß es freilich Men-
    schen gäbe, die da meinten, Liebe sei Schwäche, daß
    er für sein Teil aber die schwachen Herzen ange-
    nehmer fände als die Herzen von Stein. In den mitt-
    leren Strophen heißt es dann in leidlich wohlgesetz-
    ten Alexandrinern:
    Hab ich zuviel gesagt und ging mein Lied zu weit,
    So wiss', in Bangen nur übt ich Verwegenheit,
    So denke, daß ich schwieg, als ich zuletzt dich sah,
    Ich schwieg, denn göttingleich,
    wortraubend standst du da.
    Gebietrin, die du bist, gestatte mir noch oft
    Geständnis all des Glücks, drauf meine Seele hofft
    Geständnis dessen all, was ich bisher bezwungen,
    Darbringungen im Lied all meiner Huldigungen.

    1391
    Ein glücklicher Zufall hat uns auch die Reimzeilen
    aufbewahrt, mit denen Frau von Wreech diese poeti-
    sche Adresse des Kronprinzen beantwortete. Sie
    wurden nämlich im Brouillon auf die Rückseite des
    kronprinzlichen Briefes geschrieben und lauten wie
    folgt:
    Welch Wunder trug sich zu? Was ist's, das sich begab?
    Es steigt ein Königssohn, ein Prinz zu mir herab,
    Besingt in Liedern mich und fordert mich zum Streit;
    Antworten seinem Lied wär wie Verwegenheit,
    Ich kann es nicht, nein, nein, verwirrt in jedem Sinn,
    Fährt, über was ich schrieb, die Feder wieder hin.
    Wohl hab ich oft gehört, an diesem, jenem Ort,
    Wer nur im Herzen fühlt, dem gibt sich auch das Wort,
    Doch trät ich keck zum Kampf mit dir, Erhabener, ein,
    Müßt ich an Witz und Wort zuvor dein Echo sein.
    Solch Echo bin ich nicht: all meiner Seele Schwung
    Entspringt aus einem nur, aus der Bewunderung,
    Womit ich vor dir steh; dein Tun, das in mir lebt,
    Dein Schicksal ist's allein, was mich zu dir erhebt.
    Es huldigt mir dein Wort; ich habe des nicht Leid,
    Ist doch huldvolles Wort der Hoheit schönstes Kleid,
    Und du, du botest mehr, der Grazien schöne Hand
    Gestaltete zum Lied, was deine Huld empfand,
    Du gabst mehr Ehre mir, als je mein Herz erfuhr,
    Und all mein Sein ist Dank und stille Huld'gung nur.

    1392
    Dies sei genug. Auffallend ist es, daß sich in diesen
    Versen, die spätere Ruhmesbezeichnung gleichsam
    antizipierend, bereits der Ausdruck »le grand Frédé-
    ric« vorfindet. Das bewundernde Hinaufblicken aber
    zu diesem grand Frédéric erklärt sich wohl überwie-
    gend aus der erst kurze Zeit zurückliegenden
    »Küstriner Tragödie«, die

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