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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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haben sollte. Dies ist alles. Wohl
    sprechen die diplomatischen Klatschbriefe jener Tage
    von allerhand »Debauchen«, in die der Prinz verfal-
    len sei, dieser Ausdruck aber bezieht sich ersichtlich
    nur auf sein Küstriner Leben überhaupt, nicht auf seine Tamseler Besuche. Ja, ich möchte weitergehen
    und die Behauptung wagen, daß Tamsel damals die
    Kehrseite dieser Küstriner Tage gewesen sei, ganz
    geeignet, durch Sitte, Feinheit und Anstand ein Le-
    ben wieder zu regulieren, das solcher Regulatoren
    allerdings dringend bedürftig war.
    Treten wir dieser Frage näher, so wird es geraten
    sein, sich zunächst, gestützt auf die Briefe des Kron-
    prinzen, mit der Persönlichkeit und dem Charakter
    der Frau von Wreech zu beschäftigen. Haben wir
    diesen festgestellt, so haben wir viel gewonnen.
    Denn die Handlungen der Menschen sind im Einklang
    mit ihrem Sinn.
    »Ein Teint wie Lilien und Rosen«, schreibt Schulen-
    burg und stellt mit Hülfe dieser wenigen Worte das
    Bild einer schönen Blondine vor uns hin: jung, heiter
    und blendend. Aber die Briefe des Kronprinzen geben
    uns mehr: sie durchgeistigen die schöne Gestalt.
    Frau von Wreech scheint sich ausgangs Novem-
    ber 1731, während der Vermählungstage der Prin-
    zessin Wilhelmine, mit am Berliner Hofe befunden zu
    haben, und während dieser Tage ist es, daß der
    Kronprinz sich niedersetzt, um an Frau von Schö-
    ning, die mutmaßlich in Tamsel zurückgebliebene
    Mutter der Frau von Wreech, zu schreiben. »Mada-
    me«, so heißt es in diesem Briefe, »ich habe das

    1384
    Vergnügen gehabt, Ihre Frau Tochter in Berlin zu
    sehen. Ich sah sie aber so flüchtig, daß ich kaum
    Gelegenheit fand, ihr guten Tag und guten Weg zu
    wünschen. Dennoch, so kurze Zeit ich sie sah, konnt
    es mir nicht entgehen, wie sehr sie sich vor allen
    anderen Damen des Hofes auszeichnete, und ob-
    schon ein ganzer Haufe von Prinzessinnen (une foule
    de princesses) zugegen war, die an Glanz sie über-
    trafen, so verdunkelte Ihre Frau Tochter doch alle
    durch Schönheit und majestätische Miene, durch
    Haltung und feine Sitte. Ich war wirklich in einer
    Tantalus-Lage, immer versucht, zu einer so göttli-
    chen Person (à une si divine personne) zu sprechen,
    und nichtsdestoweniger zum Schweigen verpflichtet.
    Sie feierte schließlich einen völligen Triumph, und
    alles am Hofe kam überein, daß Frau von Wreech
    den Preis der Schönheit und feinen Sitte davontrage.
    Diese Worte müssen Ihnen wohltun, da Sie dieser
    liebenswürdigsten aller Frauen so nahestehen. Aber
    seien Sie versichert, Madame, daß Ihre Teilnahme an
    diesem allen nicht lebhafter sein kann als meine ei-
    gene, der ich alles liebe, was dieser liebenswürdigen
    Familie zugehört, und immer bin und sein werde Ihr
    ergebenster Freund, Neffe und Diener Friedrich.«
    Wenn uns dieser Brief von der Feinheit und Grazie
    der schönen Frau erzählt, so erzählt uns ein anderer
    Brief von dem Respekt , den ihre Gegenwart einzuflö-
    ßen verstand. Der Kronprinz schreibt unterm
    5. September 1731 an Frau von Wreech selber:
    »Ich würde die härteste Strafe verdienen, in Ihrer
    Gegenwart eine bêtise wie die gestrige begangen zu 1385
    haben, wenn ich nicht Entschuldigungen hätte, die,
    glaub ich, einigermaßen stichhaltig sind. Der Graf
    sagte wirklich Dinge, die mir ganz und gar nicht ge-
    fielen, Dinge, deren rasche und ruhige Verdauung
    über meine Kräfte ging. Dennoch hab ich nur allzu
    guten Grund, Ihre Verzeihung für mein albernes
    Betragen nachzusuchen. Sie werden mir erlauben,
    meinen letzten Besuch durch einen anderen wieder-
    gutzumachen, wo ich versuchen will, soweit wie
    möglich den Eindruck meiner gestrigen Torheit zu
    verwischen.«
    So am 5. September. Aber die aufgefundenen Briefe
    fügen dem Bilde weitere Züge hinzu, und wir sehen
    Frau von Wreech nicht nur im Besitz von Jugend,
    Schönheit und einer Respekt erzwingenden Haltung
    – wir gewinnen auch einen leisen Einblick in ihre
    geistige Begabung und in die Liebenswürdigkeit ihres
    Charakters. Am 20. Februar 1732 schreibt der Kron-
    prinz:
    »Ich würde sehr undankbar sein, wenn ich Ihnen
    nicht meinen Dank aussprechen wollte, einmal dar-
    über, daß Sie überhaupt nach Tamsel kamen, dann
    über die reizenden Verse , die Sie für mich gemacht hatten. Ich hätte mich einer Sünde schuldig zu machen geglaubt, wenn ich die Verse gleich gelesen und
    dadurch, wenn auch nur auf einen Augenblick, mich
    um den Zauber Ihrer Unterhaltung gebracht

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