Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
des Kronprinzen
    Liebe mehr duldete als erwiderte. Diese Schlußsätze
    des prinzlichen Briefes lauten: »So schicke ich Ihnen
    denn mein Bild. Ich hoffe, daß es mich wenigstens
    dann und wann in Ihre Erinnerung bringen und Sie
    zu dem Zugeständnis veranlassen wird: er war au
    fond ein guter Junge (un assez bon garçon), aber er
    langweilte mich, denn er liebte mich zu sehr und
    brachte mich oft zur Verzweiflung mit seiner unbe-
    quemen Liebe.«
    Diese Worte, die fast wie ein Résumé klingen, sind
    mir als besonders charakteristisch erschienen. Ende
    Februar verließ der Kronprinz Küstrin, um vorläufig
    nicht mehr dahin zurückzukehren.

    Die Jahre gingen, andere Zeiten kamen. Das Ver-
    hältnis, das einen Winter lang soviel Trost und Freu-
    de gewährt hatte, schien tot, und erst sechsund-
    zwanzig Jahre später sehen wir den Kronprinzen,
    nun König Friedrich, abermals in Tamsel.
    Aber wie anders sieht ihn jetzt Tamsel an! Es ist am
    30. August 1758, fünf Tage nach der Schlacht bei
    Zorndorf. Das Schloß ist von den Russen ausgeplün-
    dert, alle Bewohner sind geflohen, der zurückgeblie-
    bene Lehrer der Wreechschen Kinder liegt erschlagen
    im Park, alles ist wüst, öde, halb verbrannt, und nur
    mit Mühe konnt ein Tisch für den König herbeige-

    1396
    schafft werden. Und jetzt gedenkt er entschwunde-

ner Tage und alter Pflicht und alter Liebe, und ange-
    sichts der Zerstörung, die sein Herz an diesem Orte doppelt trifft, richtet er noch einmal einige Zeilen an die schöne Frau. Keine Verse sind eingeschlossen,
    aber ein Besseres hat er sich in der Schule des Le-
    bens erobert – ein echtes Gefühl. Der Brief selbst
    aber lautet:
    »Madame! Ich habe mich nach der Schlacht vom 25.
    hierher begeben und eine volle Zerstörung an die-
    sem Orte vorgefunden. Sie mögen versichert sein,
    daß ich alles nur Mögliche tun werde, um zu retten,
    was noch zu retten ist. Meine Armee hat sich genö-
    tigt gesehen, hier in Tamsel zu fouragieren, und
    wenn freilich die verdrießliche Lage, in der ich mich
    befinde, es ganz unmöglich macht, für all den Scha-
    den aufzukommen, den die Feinde ( vor mir) hier
    angerichtet haben, so will ich wenigstens nicht, daß
    von mir es heiße, ich hätte zum Ruin von Personen
    beigetragen, denen gegenüber ich die Pflicht, sie
    glücklich zu machen, in einem besonderen Grade
    empfinde. Ich halte es für möglich, daß es Ihnen
    selbst, Madame, eben jetzt am Notwendigsten ge-
    bricht, und diese Erwägung ist es, die mich be-
    stimmt, auf der Stelle die Vergütigung alles dessen
    anzuordnen, was unsere Fouragierungen Ihnen ge-
    kostet haben. Ich hoffe, daß Sie diese Auszeichnung
    als ein Zeichen jener Wertschätzung entgegenneh-
    men werden, in der ich verharre als Ihr wohlgewo-
    gener Freund Friedrich.«

    1397
    Frau von Wreech empfing diesen Brief am selben
    Tage noch, woraus sich schließen läßt, daß sie auf
    einem der benachbarten Güter Zuflucht gesucht hat-
    te, denn dem Briefe sind von der Hand der Empfän-
    gerin die Worte hinzugefügt: »Empfangen am
    30. August 1758, in demselben Jahre, in dem ich
    alles verlor, das ich mein nannte« – oder, wie es im
    Originale heißt: »L'année où j'ai perdu tout ce que
    j'avais dans le monde pour vivre.«
    Diese Worte der Frau von Wreech sind charakteristi-
    scher, als sie auf den ersten Blick erscheinen mögen.
    Der Brief des Königs hatte zweifellos den Zweck, ein
    Trostbrief zu sein; der Ausdruck seiner Teilnahme,
    zugleich die Zusage, für alles aufkommen zu wollen,
    was die Verpflegung seiner Truppen gekostet hatte, alles das bezeugt genugsam, daß er aufzurichten
    wünschte, tatsächlich, aber auch in Worten. Frau von
    Wreech indessen, unberührt von dem schönen Inhal-
    te des Briefes, scheint nur dem einen bitteren und
    niederdrückenden Gedanken gelebt zu haben: Ich
    war reich und bin nun arm; ich konnte geben und
    helfen und bin nun selber hülfebedürftig.
    Es würde gewagt sein, aus der kurzen Notiz: » das
    Jahr, in dem ich alles verlor, was ich mein nannte«,
    so weitgehende Schlüsse auf die damalige Stimmung
    der Frau von Wreech zu ziehen, wenn nicht die Kor-
    respondenz, die sich von jenem 30. August an zwi-
    schen Jugendfreund und Jugendfreundin entspann,
    keinen Zweifel darüber ließe, von welchen Empfin-
    dungen das Herz der freilich schwer heimgesuchten
    Frau damals ausschließlich erfüllt wurde. Und wenn

    1398
    die Jugendbriefe des Kronprinzen uns mehr mit der
    Empfängerin in Tamsel als mit dem

Weitere Kostenlose Bücher