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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Irdische
    über das Überirdische setzend – das gibt zwar kein
    Idealbild, aber doch das Bild eines tüchtigen Stam-
    mes, und das sind sie auch durchaus und unverän-
    dert bis diesen Tag.
    Wir haben uns bis hieher ausschließlich mit den Be-
    wohnern beschäftigt; es erübrigt uns noch, in die Stadt selbst einzutreten und, soweit wir es vermö-
    gen, ein Bild ihres Wachstums, dann ihrer gegenwär-
    tigen Erscheinung zu geben.
    Der nur auf das Praktische gerichtete Sinn, der
    nichts Höheres als den Erwerb kannte, dazu eine
    Abgeschlossenheit, die alles Lernen fast mit Geflis-
    sentlichkeit vermied, all diese Züge, wie wir sie aus
    doppelter Schilderung kennengelernt haben, waren
    begreiflicherweise nicht imstande, aus Werder einen
    Prachtbau zu schaffen. Es hatte seine Lage und seine Kirche , beide schön, aber die Lage hatte ihnen Gott und die Kirche hatten ihnen die Lehniner Mönche
    gegeben. An beiden waren die Werderschen un-
    schuldig. Was aus ihnen selbst heraus entstanden,
    was ihr Eigenstes war, das ließ allen Bürgersinn

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    vermissen und erinnerte an den Lehmkatenbau der
    umliegenden Dörfer.
    Noch zu Anfang des vorigen Jahrhunderts bestanden
    die Häuser aus Holz, Lehm und gestakten Wänden,
    die hölzernen Schornsteine zeigten einen riesigen
    Umfang, und die Giebelfronten waren derart, daß
    immer eine Etage vorspringend über die andere hing.
    Die Häuser waren groß, aber setzten sich zu wesent-
    lichstem Teile aus Winkeln, Kammern und großen
    Böden, selbst aus unausgebauten Stockwerken zu-
    sammen, so daß die Familie meist in einer einzigen
    Stube hauste, die freilich groß genug war, um dreißig
    Personen bequem zu fassen. Im Einklang damit war
    alles übrige: die Brücke baufällig, die Straßen unge-
    pflastert, so daß, in den Regenwochen des Herbstes
    und Frühjahrs, die Stadt unpassierbar war und der
    Verkehr von Haus zu Haus auf Stelzen oder noch
    allgemeiner auf Kähnen unterhalten werden mußte.
    In allem diesem schaffte endlich das Jahr 1736 Wan-
    del. – Dieselben beiden Faktoren: »das Königtum
    und die Armee«, die überall hierzulande aus dem
    kümmerlich Gegebenen erst etwas machten, waren
    es auch hier, die das Alte abtaten und etwas Neues
    an die Stelle setzten. Die Armee, wie unbequem sie
    dem einen oder andern sein mochte, damals wie
    heute, sie sicherte, sie bildete, sie baute auf. So
    auch in Werder.
    Es war im Spätsommer genannten Jahres (1736), als
    das eben damals in Brandenburg garnisonierende
    3. Bataillon Leibgarde Befehl erhielt, zur Revue nach

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    Potsdam zu marschieren, und zwar über Werder . Der Befehl lautete so bestimmt wie möglich; so blieb
    nichts anders übrig, als dem Könige rund und nett zu
    erklären, daß die Brücke zu Werder unfähig sei, das 3. Bataillon Leibgarde zu tragen. Die Gardemänner
    aber, etwa im Gänsemarsch, einzeln in die Stadt ein-
    rücken zu lassen, dieser Vorschlag wurde gar nicht
    gewagt; Friedrich Wilhelm I. würde ihn als einen Af-
    front geahndet haben. So gab es denn nur einen
    Ausweg, eine – neue Brücke . Der König ließ sie aus Schatullengeldern in kürzester Frist herstellen.
    Eine neue Brücke war nun da; aber auch in der Stadt
    selber sollte es anders werden. Ein Kommando des
    Leibregiments, aus Gründen, die nicht ersichtlich,
    war in Werder geblieben, und im Spätherbst erschien
    Seine Majestät in der Inselstadt, um über seine
    150 Blauen eine Spezialrevue abzuhalten. Es war die
    unglücklichste Jahreszeit: die Karosse des Königs
    blieb mitten auf dem Markt im Moraste stecken, ein
    Parademarsch wurde zu einem Unding, und die Un-
    gnade des Königs, wenn dergleichen nicht wieder
    vorkommen sollte, wandelte sich von selbst in eine
    Gnade um: Werder wurde gepflastert.
    Die Kirche »Zum heiligen Geist«, auf der höchsten
    Stelle der Insel malerisch gelegen, war schon zwei
    Jahre vorher einem Neubau unterzogen worden; ob
    sie schönheitlich dadurch gewonnen hatte, wird zu
    bezweifeln sein; die Lehniner Mönche verstanden
    sich besser auf Kirchenbau als der Soldatenkönig.
    Jedenfalls verbietet sich jetzt noch eine Entscheidung
    in dieser Frage, da die Renovation von 1734 längst

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    wieder einem neuen Umbau gewichen ist, einer wie-derhergestellten, spitzenreichen Gotik, die, in der
    Nähe vielleicht mannigfach zu beanstanden, als
    Landschaftsdekoration aber, wie eingangs dieses

Kapitels bereits hervorgehoben wurde, von seltener
    Schönheit ist.
    Dieser letzte Umbau, und wir treten damit in die

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