Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
»Neue Muse-
    um« von damals ist schon wieder zu einem alten
    geworden, die Bilder jener Tage aber sind nicht
    verblaßt und als unsere Havelwanderungen vor lang
    oder kurz begannen und unser Auge, von den Kup-
    pen und Berglehnen am Schwielow aus, immer wie-
    der der Spitzturmkirche von Werder gewahr wurde,
    da gemahnte es uns wie alte Schuld und alte Liebe,
    und die Jugendsehnsucht nach den Werderschen
    stieg wieder auf: hin nach der Havelinsel und ihrem
    grünen Kranz, »wo tief im Laub die Knupperkirschen
    glühn«.
    Und wie alle echte Sehnsucht schließlich in Erfüllung
    geht, so auch hier, und ehe noch der Juli um war,
    brauste der Zug wieder über die große Havelbrücke,
    erst rasch, dann seinen Eilflug hemmend, bis er zu
    Füßen eines Kirschberges hielt: »Station Werder!«
    Noch eine Drittelmeile bis zur Stadt ; eine volle Drittelmeile, die einem um drei Uhr nachmittags, bei
    siebenundzwanzig Grad im Schatten und absoluter

    2240
    Windstille schon die Frage vorlegen kann: ob nicht
    doch vielleicht ein auf hohen Rädern ruhendes, sarg-
    artiges Ungetüm, das hier unter dem Namen »Omni-
    bus« den Verkehr zwischen Station und Stadt unter-
    hält, vor Spaziergangsversuchen zu bevorzugen sei.
    Aber es handelt sich für uns nicht um die Frage »be-
    quem oder unbequem«, sondern um Umschau , um
    den Beginn unserer Studien, da die großen Kirsch-
    plantagen, die den Reichtum Werders bilden, vor-
    zugsweise zu beiden Seiten ebendieser Wegstrecke
    gelegen sind, und so lassen wir denn dem Omnibus
    einen Vorsprung, gönnen dem Staube zehn Minuten
    Zeit, sich wieder zu setzen, und folgen nun zu Fuß
    auf der großen Straße.
    Gärten und Obstbaumplantagen zu beiden Seiten;
    links bis zur Havel hinunter, rechts bis zu den Kup-
    pen der Berge hinauf. Keine Spur von Unkraut; alles
    rein geharkt; der weiße Sand des Bodens liegt oben-
    auf. Große Beete mit Erdbeeren und ganze Kirsch-
    baumwälder breiten sich aus. Wo noch vor wenig
    Jahren der Wind über Thymian und Hauhechel strich,
    da hat der Spaten die schwache Rasennarbe umge-
    wühlt, und in wohlgerichteten Reihen neigen die
    Bäume ihre fruchtbeladenen Zweige.
    Je näher zur Stadt, um so schattiger werden rechts
    und links die Gärten; denn hier sind die Anlagen äl-
    ter, somit auch die Bäume. Viele der letzteren sind
    mit edleren Sorten gepfropft, und Leinwandbänder
    legen sich um den amputierten Ast, wie die Bandage
    um das verletzte Glied. Hier mehren sich auch die
    Villen und Wohnhäuser, die großenteils zwischen

    2241
    Fluß und Straße, also zur Linken der letzteren, sich
    hinziehen. Eingesponnen in Rosenbüsche, umstellt
    von Malven und Georginen, entziehen sich viele dem
    Auge, andere wieder wählen die lichteste Stelle und
    grüßen durch die weitgestellten Bäume mit ihren
    Balkonen und Fahnenstangen, mit Veranden und
    Jalousien.
    Eine reiche, immer wachsende Kultur! Wann sie ih-
    ren Anfang nahm, ist bei der Mangelhaftigkeit der
    Aufzeichnungen nicht mehr festzustellen. Es scheint
    aber fast, daß Werder als ein Fischerort ins siebzehn-
    te Jahrhundert ein- und als ein Obst- und Gartenort
    aus ihm heraustrat. Das würde dann darauf hindeu-
    ten, daß sich die Umwandlung unter dem Großen
    Kurfürsten vollzogen habe, und dafür sprechen auch
    die mannigfachsten Anzeichen. Die Zeit nach dem
    Dreißigjährigen Kriege war wieder eine Zeit großarti-
    ger Einwanderung in die entvölkerte Mark, und mit
    den garten kundigen Franzosen, mit den Bouchés und Matthieus, die bis auf diesen Tag in ganzen Quartieren der Hauptstadt blühen, kamen ziemlich gleichzei-
    tig die agrikultur kundigen Holländer ins Land. Unter dem, was sie pflegten, war auch der Obstbau . Sie waren von den Tagen Luise Henriettens, von der
    Gründung Oranienburgs und dem Auftreten der kle-
    veschen Familie Hertefeld an die eigentlichen land-
    wirtschaftlichen Lehrmeister für die Mark, speziell für das Havelland , und wir möchten vermuten, daß der eine oder andere von ihnen, angelockt durch den
    echt holländischen Charakter dieser Havelinsel, sei-
    nen Aufenthalt hier genommen und die große Um-
    wandlung vorbereitet habe. Vielleicht wäre aus den

    2242
    Namen der noch lebenden werderschen Geschlechter
    festzustellen, ob ein solcher holländischer Fremdling
    jemals unter ihnen auftauchte. Bemerkenswert ist es
    mir immer erschienen, daß die Werderaner in »Schu-
    ten« fahren, ein niederländisches Wort, das in den
    wendischen Fischerdörfern, soviel ich weiß, nie

Weitere Kostenlose Bücher