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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Ursach, daß keine Rückschläge erfolg-
    ten und Stadt Werder durch allen Zeitenwirrwarr
    hindurchgehen konnte, ohne die Kriegsrute zu emp-
    finden, die für das umliegende Land, wie für alle üb-
    rigen Teile von Mark Brandenburg, oft so hart ge-
    bunden war. Der Dreißigjährige Krieg zog wie ein
    Gewitter, »das nicht über den Fluß kann«, an Werder
    vorüber; die Brücke war weislich abgebrochen, jedes
    Fahrzeug geborgen und versteckt, und wenn der
    scharf eintretende Winterfrost die im Sommer ge-
    wahrte Sicherheit zu gefährden drohte, so ließen
    sich's die Werderaner nicht verdrießen, durch be-
    ständiges Aufeisen der Havel ihre insulare Lage wie-
    derherzustellen. So brachen nicht Schweden, nicht
    Kaiserliche in ihren Frieden ein, und es ist selbst
    fraglich, ob der »schwarze Tod«, der damals über

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    das märkische Land ging, einen Kahn fand, um vom
    Festland nach der Insel überzusetzen.
    Das war der Segen, den die Insellage schuf, aber sie
    hatte auch Nachteile im Geleit und ließ den von An-
    fang an vorhanden gewesenen Hang, sich abzu-
    schließen, in bedenklichem Grade wachsen. Man
    wurde eng, hart, selbstsüchtig; Werder gestaltete
    sich zu einer Welt für sich, und der Zug wurde immer
    größer, sich um die Menschheit draußen nur insoweit
    zu kümmern, als man Nutzen aus ihr ziehen konnte.
    Diese Exklusivität hatte schon in den Jahren, die
    dem Dreißigjährigen Kriege vorausgingen oder mit
    ihm zusammenfielen, einen hohen Grad erreicht. In
    Aufzeichnungen aus jener Zeit finden wir folgendes:
    »Die Menschen hier sind zum Umgange wenig ge-
    schickt und gar nicht aufgelegt, vertrauliche Freund-
    schaften zu unterhalten. Sie hassen alle Fremden,
    die sich unter ihnen niederlassen, und suchen sie
    gern zu verdrängen. Vor den Augen stellen sie sich
    treuherzig, hinterm Rücken sind sie hinterlistig und
    falsch. Von außen gleißen sie zwar, aber von inwen-
    dig sind sie reißende Wölfe. Sie sind sehr abergläu-
    bisch, im Gespenstersehen besonders erfahren, ha-
    ben eine kauderwelsche Sprache, üble Kinderzucht,
    schlechte Sitten und halten nicht viel auf Künste und
    Wissenschaften. Arbeitsamkeit und sparsames Leben
    aber ist ihnen nicht abzusprechen. Sie werden selten
    krank und bei ihrer Lebensart sehr alt.«
    War dies das Zeugnis, das ihnen um 1620 oder 1630
    ein unter ihnen lebender »Stadtrichter«, also eine
    beglaubigte Person, ausstellen mußte, so konnten

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    150 Jahre weiterer Exklusivität in Gutem wie Bösem
    keinen wesentlichen Wandel schaffen, und in der Tat,
    unser mehrzitierter Chronist bestätigt um 1784 nur
    einfach alles das, was Stadtrichter Irmisch (dies war
    der Name des 1620 zu Gericht Sitzenden) so lange
    Zeit vor ihm bereits niedergeschrieben hatte. Die Übereinstimmung ist so groß, daß darin ein eigentümliches Interesse liegt.
    »Die Bewohner von Werder«, so bestätigt Schöne-
    mann, »suchen sich durch Verbindungen untereinan-
    der zu vermehren und nehmen Fremde nur ungern
    unter sich auf . Sie sind stark, nervig, abgehärtet, sehr beweglich. Sie stehen bei früher Tageszeit auf
    und gehen im Sommer schon um zwei Uhr an die
    Arbeit; sie erreichen siebzig, achtzig und mehrere
    Jahre und bleiben bei guten Kräften. Ihre Kinder ge-
    wöhnen sie zu harter Lebensart; im frühesten Alter
    werden sie mit in die Weinberge genommen, um
    ihnen die Liebe zur Arbeit mit der Muttermilch einzuflößen. Die Kinder werden bis zum achten oder neun-
    ten Jahre in die Schule geschickt, lernen etwas lesen,
    wenig schreiben und noch weniger rechnen. Die
    meisten bleiben ungesittet; das kommt aber nicht in
    Betracht, weil ihnen an dem zeitlichen Gewinn gele-
    gen ist. Viele natürliche Fähigkeiten sind bei ihnen nicht anzutreffen , und sie halten fest am Alten. Sie lieben einen springenden Tanz und machen Aufwand
    bei ihren Gastmählern. Im übrigen aber leben sie
    kärglich und sparsam und suchen sich durch Fleiß
    und Mühe ein Vermögen zu erwerben .«

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    Welche Stabilität durch anderthalb Jahrhunderte! Im
    übrigen, wenn man festhält, wie tief der Egoismus in
    aller Menschennatur überhaupt steckt und daß es zu
    alledem zwei »Fremde«, zwei »Zugezogene« waren,
    die den Werderanern die vorstehenden, gewiß nicht
    allzu günstig gefärbten Zeugnisse ausstellten, so
    kann man kaum behaupten, daß die Schilderung ein
    besonders schlechtes Licht auf die Inselbewohner
    würfe. Hart, zäh, fleißig, sparsam, abgeschlossen,
    allem Fremden und Neuen abgeneigt, das

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