Wanderungen durch die Mark Brandenburg
gestörte
Straßenkommunikation ließ nunmehr ein Ausbiegen
nach links hin oder das ›Gewinnen der inneren Li-
nie‹, wie die Strategen sagen würden, völlig unver-
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fänglich erscheinen. So gelang ein totaler Überfall.
Im Moment des Vorbeifahrens stürzten sich die bei-
den Brüder aus der schon vorher leise geöffneten
Droschkentür auf ihr Opfer, entrissen ihm, unter Gel-
tendmachung ihrer ›immer losgehenden Waffe‹, das
Klappmesser, das der Überraschte einen Augenblick
Miene machte à deux mains zu gebrauchen, und lu-
den ihn dann ein, den Mittelplatz in ihrer Droschke
einzunehmen. ›Er werde wohl müde sein.‹ Der Kin-
derwagen wurde angehakt, und so ging es im Tri-
umph rückwärts, über die Glienicker Brücke. › Jetzt
wollen wir Anzeige machen‹, rief William seinem
Bruder zu. › Wer die Doktors kennt , kuriert sich erst selber.‹
Da haben Sie meine Geschichte. Sie mag Ihnen den
Satz illustrieren, womit ich anfing, die Neigung zum
›abgekürzten Verfahren‹.«
Unser Vesperbrot war längst beendet; wir erhoben
uns von unsrer Walze und schritten munter in den
Forst hinein. Es dunkelte stark, trotzdem die Sterne
jetzt heller schienen. Wo eine Lichtung war und ein
mäßig heller Schein auf den Weg fiel, musterte ich
unwillkürlich die Gleise, ob nicht eine Kinderwagen-
spur sie durchschnitt oder begleitete.
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Werder
Die Insel und ihre Bevölkerung.
Stadt und Kirche.
»Christus als Apotheker«
Es möchte sich niederneigen
In die spiegelklare Flut,
Es möchte streben und steigen
In der Abendwolken Glut.
Uhland
I do remember an apothecary,
And hereabout he dwells;... green earthen pots
Were thinly scatter'd to make up a show.
Shakespeare
Der Reisende, den von Berlin aus sein Weg nach
Westen führt, sei es, um angesichts des Kölner oder auch schon des Magdeburger Domes zu landen, hat
– wie immer ablehnend er sich gegen die Schönhei-
ten von Mark Brandenburg verhalten möge –, we-
nigstens zu Beginn seiner Fahrt, solange die grünen
Hänge von Potsdam ihm zur Seite bleiben, einige
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Partien zu durchfliegen, die er nicht Anstand nehmen
wird als Oasen gelten zu lassen. Wenn aber all die
lachenden Bilder zwischen Schloß Babelsberg und
dem Pfingstberg, zwischen der Pirschheide und dem
Golmer Bruch ihn unbekehrt gelassen hätten, so
würde doch das prächtige See- und Flußpanorama
ihn entzücken müssen, das die große Havelbrücke
eine Meile westwärts von Potsdam vor ihm auftut und das ihm nach rechts hin eine meilenbreite, se-gelbedeckte Fläche, nach links hin eine giebelreiche,
rot und weiß gemusterte, in dem klaren Havelwasser
sich spiegelnde gotische Kirche zeigt. Um sie herum
ein dichter Häuserkranz: Stadt Werder.
Stadt Werder, wie ihr Chronist Ferdinand Ludwig
Schönemann in einem 1784 erschienenen Buche er-
zählt, liegt auf einer »gänzlichen Insel«. Diese um-
faßt sechsundvierzig Morgen. »Zur Sommerzeit,
wenn das Wasser zurückgetreten ist, kann man die
Insel in einer Stunde umschreiten; sie aber zu um-
fahren, sei es in einem Kahn oder einer Schute, dazu
sind zwei Stunden erforderlich. Ein solches Umfahren
der Insel an schönen Sommerabenden gewährt ein
besonderes Vergnügen, zumal wenn des Echos hal-
ber die Fahrt von einem Waldhornisten begleitet wird.« Der Chronist hat hier eine romantische An-wandlung, die wir hervorgehoben haben wollen, weil
sie in seinem Buche die einzige ist.
Der Boden der Insel ist fruchtbar, größtenteils fett
und schwarz; nur ein geringer Strich, von sehr unpo-
etischem Namen, ist morastig. Was die Entstehung
der Stadt angeht, so heißt es, daß sich die Bewohner
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eines benachbarten Wendendorfes, nach dessen Zer-
störung durch die Deutschen, vom Festlande auf die
Insel zurückgezogen und hier eine Fischerkolonie
gegründet hätten. »Doch beruht« – wie Schönemann
sinnig hervorhebt – »die Gewißheit dieser Meinung bloß auf einer unsicheren Überlieferung.«
Unsicher vielleicht, aber nicht unwahrscheinlich. Das
umliegende Land wurde deutsch, die Havelinsel blieb
wendisch. Die Gunst der Lage machte aus dem ur-
sprünglichen Fischerdorfe alsbald einen Flecken (als
solchen nennt es bereits eine Urkunde aus dem Jah-
re 1317), und abermals hundert Jahre später war
aus dem Flecken ein Städtchen geworden, dem Kur-
fürst Friedrich II. bereits zwei Jahrmärkte bewilligte.
So blieb es in allmählichem Wachsen, und seine In-
sellage wurde
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