Wanderungen durch die Mark Brandenburg
gesteigert haben. Die Bilder, zumeist von
einem unbekannten Maler namens Häbert herrüh-
rend, sind gut erhalten und mit Rücksicht auf die
Zeit ihrer Entstehung nicht schlecht gemalt. Das
Schöne fehlt noch, aber das Charakteristische ist da.
Der große Saal, in dem diese Bilder neben so man-
chem anderen historischen Hausrat sich vorfinden,
nimmt mit Recht unser Hauptinteresse in Anspruch,
aber noch vieles bleibt unserer Aufmerksamkeit üb-
rig. Das ganze Schloß gleicht eben einer Art ZietenGalerie , und nur wenige Zimmer treffen wir an, von deren Wänden uns nicht, als Kupferstich oder Ölbild,
als Büste oder Silhouette, das Bildnis des alten Hel-
den grüßte. Alles in allem gerechnet, befinden sich
wohl vierzig Zieten-Portraits in Schloß Wustrau. Viele
von diesen Bildnissen (besonders die Stiche) sind
allgemeiner gekannte Blätter; nicht so die Ölbilder,
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deren wir, ohne für Vollständigkeit bürgen zu wollen,
zunächst acht zählen, sieben Portraits und das achte ein Genrebild aus der Sammlung des Markgrafen
Karl von Schwedt. Es stellt möglicherweise die Szene
dar (vergleiche Zietens Biographie von Frau von
Blumenthal, Seite 56), wo der damalige Major von
Zieten an den Oberstlieutenant von Wurmb heran-
tritt, um die Remontepferde, die ihm zukommen, für
seine Schwadron zu fordern, eine Szene, die be-
kanntlich auf der Stelle zu einem wütenden Zwei-
kampfe führte. Doch ist diese Auslegung nur eine
mutmaßliche, da die hier dargestellte Lokalität zu der
von Frau von Blumenthal beschriebenen nicht paßt.
Die sieben Portraits, mit Ausnahme eines einzigen,
sind sämtlich Bilder des » alten Zieten« und deshalb, aller Abweichungen in Uniform und Haltung unerachtet, im einzelnen schwer zu charakterisieren. Nur das
älteste Portrait, das bis ins Jahr 1726 zurückgeht und
den »alten Zieten«, den wir uns ohne Runzeln und
Husarenuniform kaum denken können, als einen
jungen Offizier bei den von Wuthenowschen Drago-
nern darstellt, zeichnet sich schon dadurch vor allen
andern Bildnissen aus. Zieten, damals siebenund-
zwanzig Jahr alt, trägt, wie es scheint, einen Stahl-
küraß und über demselben eine graue Uniform (frü-
her vielleicht weiß ) mit schmalen blauen Aufschlä-
gen. Ob das Bild echt ist, stehe dahin. Von Ähnlich-
keit mit dem »alten Zieten« natürlich keine Spur.
Wir verlassen nun den Saal und das Haus, passieren
die mehr dem Dorfe zu gelegene Hälfte des Parkes,
überschreiten gleich danach die Dorfstraße und ste-
hen jetzt auf einem geräumigen Rasenfleck, in des-
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sen Mitte sich die Dorfkirche erhebt. Der Chor liegt
dem Herrenhause, der Turm dem Kirchhofe zu. Zwi-
schen Turm und Begräbnisplatz steht eine mächtige
alte Linde. Die Kirche selbst, in Kreuzform aufge-
führt, ist ein Ideal von einer Dorfkirche: schlicht,
einladend, hübsch gelegen. Im Sommer 1756, kurz
bevor es in den Krieg ging, wurde der Turm vom
Blitz getroffen. Das Innere der Kirche selbst unter-
scheidet sich von andern Dorfkirchen nur durch eine
ganz besondere Sauberkeit und durch die Geflissent-
lichkeit, womit man das patriotische Element gehegt
und gepflegt hat. So findet man nicht nur die übliche
Gedenktafel mit den Namen derer, die während der
Befreiungskriege fielen, sondern zu der allgemeinen
Tafel gesellen sich auch noch einzelne Täfelchen, um
die Sonderverdienste dieses oder jenes zu bezeich-
nen. An anderer Stelle gruppieren sich Gewehr und
Büchse, Lanze, Säbel, Trommel und Flügelhorn zu
einer Trophäe. Zwei Denkmäler zieren die Kirche.
Das eine (ohne künstlerische Bedeutung) zu Ehren
der ersten Gemahlin Hans Joachims, einer gebornen
von Jürgaß, errichtet, das andere zu Ehren des alten
Zieten selbst. Dies letztere hat gleichen Anspruch auf
Lob wie Tadel. Es gleicht in seinen Vorzügen und
Schwächen allen andern Arbeiten des rasch-fertigen,
hyperproduktiven Bernhard Rode1), nach dessen
Skizze es von dem Bildhauer Meier ausgeführt wur-
de. Wem eine tüchtige Technik genügt, der wird
Grund zur Anerkennung finden; wer eine selbständi-
ge Auffassung, ein Abweichen vorn Alltäglichen for-
dert, wird sich nicht befriedigt fühlen. Ein Sarkophag
und ein Reliefportrait, eine Minerva rechts und eine
Urania links, das paßt so ziemlich immer; ein ge-
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danklich bequemes Operieren mit überkommenen
Typen, worin unsere Bildhauer das Unglaubliche leis-
ten. Wenn irgendein Leben, so hätte gerade das des alten Zieten die
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