Wanderungen durch die Mark Brandenburg
beste Gelegenheit geboten zu etwas
Neuem und Eigentümlichem. Der Zieten aus dem
Busch, der Mann der hundert Anekdoten, die samt
und sonders im Volksmund leben, was soll er mit
zwei Göttinnen (einige sagen, es seien symbolische
Figuren der Tugend und Tapferkeit), die ihn bei Leb-
zeiten in die sicherste Verlegenheit gebracht hätten.
Vortrefflich ist nur das Reliefportrait in weißem Mar-
mor, das sich an dem dunkelfarbigen Aschenkruge
des Denkmals befindet und außer einer im Schloß
befindlichen Zieten-Silhouette sehr wahrscheinlich
das einzige Bildnis ist, das uns den immer en face
abgebildeten Kopf des Alten auch mal in seinem Pro-
file zeigt. Daß dieses Profil nicht schön ist, tut nichts zur Sache.
Alles in allem, das Marmordenkmal des alten Helden
reicht an ihn selber nicht heran; es entspricht ihm
nicht. Da lob ich mir im Gegensatze dazu das
schlichte Grab, unter dem er draußen in unmittelbarer Nähe der Kirche schläft. Der Raum reichte hin für
vier Gräber, und hier ruhen denn auch die beiden Eltern des alten Zieten, seine zweite Gemahlin (eine
geborne von Platen) und er selbst. Das Äußere der
vier Gräber ist wenig voneinander verschieden. Ein
Unterbau von Backstein erhebt sich zwei Fuß hoch
über den Rasen, auf welchem Ziegelfundamente
dann die Sandsteinplatte ruht. Noch nichts ist verfal-
len. Auch der gegenwärtige Besitzer empfindet, daß
er eine historische Erbschaft angetreten hat, und
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eifert getreulich dem schönen Vorbilde des letzten
Wustrauer Zieten nach, dessen ganzes Leben eigent-
lich nur ein Kultus seines berühmten Vaters war.
1786 starb Hans Joachim von Zieten. Achtundsechzig
Jahre später folgte ihm sein Sohn Friedrich Christian
Emil von Zieten, achtundachtzig Jahre alt, der letzte
Zieten aus der Linie Wustrau. Wir treten jetzt an sein Grab2). Es befindet sich unter der schon erwähnten
schönen alten Linde, die zwischen der Kirche und
dem leis ansteigenden Kirchhofe steht. Hinter sich
die lange Gräberreihe der Bauern und Büdner, macht
dies Grab den Eindruck, als habe der letzte Zieten
noch im Tode den Platz behaupten wollen, der ihm
gebührte, den Platz an der Front seiner Wustrauer.
Ähnliche Gedanken beschäftigten ihn sicherlich, als
er zehn oder zwölf Jahre vor seinem Tode dies Grab
zu bauen begann. Ein Hünengrab. Der letzte Zieten,
klein, wie er war, verlangte doch Raum im Tode.
Denn er baute das Grab nicht bloß für sich, sondern
für das Geschlecht oder den Zweig des Geschlechts, das mit ihm schlafen ging. Mit Eifer entwarf er den
Plan und leitete den Bau. Eine Gruft wurde gegraben
und ausgemauert und schließlich ein Riesenfeldstein,
wie sich deren so viele auf der Wustrauer Feldmark
vorfinden, auf das offene Grab gelegt. Am Fußende
aber geschah die Ausmauerung nur halb, so daß
hier, unter Einführung eines schräg laufenden Stol-
lens, eine Art Kellerfenster gewonnen wurde, durch
das der alte Herr in seine letzte Wohnung hineinbli-
cken konnte. Mit Hülfe dieser Zuschrägung wurde
denn auch später der Sarg versenkt. Als Friedrich
Wilhelm IV. im Jahre 1844 den schon oben erwähn-
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ten Besuch in Wustrau machte, führte ihn der Graf
auch an die Linde, um ihm daselbst das eben fertig
gewordene Grab zu zeigen. Der König wies auf eine
Stelle des Riesenfeldsteins und sagte: »Zieten, der
Stein hat einen Fehler!«, worauf der alte Herr erwi-
derte: »Der drunter liegen wird, hat noch mehr.«
Diese Antwort ist so ziemlich das Beste, was vom
letzten Wustrauer Zieten auf die Nachwelt gekom-
men ist. Einzelne andere Repliken und Urteile (zum
Beispiel über die Schadowsche Statue sowie über
Bücher und Bilder, deren Held sein Vater war) sind
unbedeutend, oft ungerecht und fast immer schief.
Er sah alles zu einseitig, zu sehr von einem bloß Zie-
tenschen Standpunkt aus, um gerecht sein zu kön-
nen, selbst wenn ihm ein feinerer ästhetischer Sinn
die Möglichkeit dazu gewährt hätte. Dieser ästheti-
sche Sinn fehlte ihm aber völlig. Selber eine Kuriosi-
tät, bracht er es über die Kuriositätenkrämerei nie
hinaus. Sein Witz und Humor verstiegen sich nur bis
zur Lust an der Mystifikation. Den Altertumsfor-
schern einen Streich zu spielen war ihm ein besonde-
rer Genuß. Er ließ von eigens engagierten Steinmet-
zen große Feldsteine konkav ausarbeiten, um seine
Wustrauer Feldmark mit Hülfe dieser Steine zu ei-
nem heidnischen Begräbnisplatz avancieren zu las-
sen. Am Seeufer hing
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