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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Gegenden stam-
    menden Nordlandsbriefe vor anderen den Vorzug zu
    verdienen.

    V
    »Des deutschen Kronprinzen Einzug in Jerusalem«.
    Hildebrandtstraße 5. W. Gentz als Mensch und
    Künstler
    (Von 1874 bis 1890)
    Sommer 1874 machte W. Gentz, wie wir in unserem
    vorigen Kapitel unter gleichzeitiger Mitteilung einer
    ganzen Anzahl an seine Frau gerichteter Briefe mit-
    teilen durften, seine Stockholmer Reise, der ein kur-
    zer Aufenthalt in Heringsdorf folgte. Zu Beginn des
    Herbstes war er in Berlin zurück und nahm hier die
    große Arbeit wieder auf, der er schon seit Jahr und
    Tag in erster Reihe seine Kräfte widmete: »Des
    deutschen Kronprinzen Einzug in Jerusalem«. Er be-
    endete dies Bild 1876, in welchem Jahre es auf der
    Berliner Ausstellung erschien und die große goldene
    Medaille erhielt. Es ist jetzt eine Zierde der Nationalgalerie und sowohl um seines Stoffes wie um seiner

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    künstlerischen Vorzüge willen der Aufmerksamkeit
    jedes Besuchers sicher. Auch ich, wenn ich desselben
    ansichtig werde, werde von der poetischen Schönheit
    des zur Darstellung gebrachten Momentes: des Ein-
    ziehens unter Palmen, jedesmal ergriffen, kann dies
    Bild aber, sosehr ich es schätze, doch nicht zu
    W. Gentz' vorzüglichsten oder, vielleicht richtiger,
    nicht zu den mir sympathischen Arbeiten zählen. Mir
    persönlich ist er als afrikanischer Landschafter am liebsten, und diejenigen seiner Bilder, die sich damit
    begnügen, in wunderbarem Gegensatze die Sterilität
    und zugleich die schöpferische Fülle der Tropenge-
    gend wiederzugeben, also Wüsten- und Wasserflä-
    chen, übervölkert von Flamingos und anderem weiß-
    gefiederten Volk, entzücken mich mehr, ja fast
    möchte ich sagen, heimeln mich mehr an. Seine
    Knabenwanderungen im Wustrauer Luch und am
    Molchow-See, die von frühan sein Auge schärften,
    haben ihn durch sein ganzes Leben hin das am tiefsten und eigenartigsten erfassen lassen, was ihn
    schon als Kind am tiefsten in seiner Künstlerseele
    berührte: melancholische Flächen und schwermuts-
    volle Stille.
    Herbst 1876 also erschien das Einzugsbild. In der
    Zeit, die seitdem vergangen ist, schuf er unverändert
    weiter, und kein Jahr verging, ohne daß sein Talent
    und seine Schaffenslust sich nicht neu betätigt hät-
    ten. Aus dieser Fülle, die hinter der Epoche von 1857
    bis 1874 nicht zurückbleibt, sei hier nur einiger we-
    niger Bilder erwähnt: ein Harem auf Reisen, Supra-
    porte für das Pringsheimsche Haus; eine Koran-
    Vorlesung; ein Sonnenstreifen (Straße in Algier);

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    Mirjam am Quell als Illustration zu Ebers' »Homo
    sum«; Marabustorch und Flamingos; Abend am Nil;
    Mameluckengräber bei Kairo; koptische Christen in
    den ersten Jahrhunderten; und eine große Zahl von
    Portraits, besonders Negerköpfe. Dazu gesellt sich
    eine lange Reihe von Illustrationen, unter denen die
    zu Georg Ebers' großem Werk: »Ägypten in Wort und
    Bild« in erster Reihe stehen. Es sind (fünfundvierzig
    an der Zahl) fertige Feder- und Tuschzeichnungen,
    die auf Holz photographiert und dann geschnitten
    wurden.

    Alle diese vorstehend aufgezählten Bilder entstanden
    in dem der Künstlerwelt wohlbekannten Hildebrandt-
    straßen-Hause, das, wie schon hervorgehoben, im
    Jahre 1869 von W. Gentz erworben und, um sein
    eigenes Wort noch einmal zu zitieren, »orientalisiert«
    wurde.
    Diesem Hause wenden wir uns jetzt zu. Es besteht
    aus einem Souterrain, einem Erdgeschoß und einem
    ersten Stock; im Souterrain befinden sich die Wirt-
    schaftsräume, im ersten Stock die Ateliers von Vater
    und Sohn, im Erdgeschoß die Familien- und Reprä-
    sentationszimmer, vier oder fünf an der Zahl, die
    völlig eigenartig wirken und in ihrer Mischung von
    Berliner Nähtisch und ägyptischem Fetisch, von
    Ramses und Christian Friedrich Gentz, kairensischen
    Teppichen und Ahornpaneelen aus der Berliner
    Glanzzeit der Jenny Lind nirgend ihresgleichen ha-
    ben, auch in den maurischen Häusern nicht, deren

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    wir vielleicht einige, jedenfalls aber eins in unserer
    Stadt besitzen: das Diebitschsche Haus am Hafen-
    platz. Denn all das bisher in wohlüberlegter Gegen-
    sätzlichkeit Aufgezählte gibt nur eine schwache Vor-
    stellung von dem, was sich an aparten und unterein-
    ander in einer Art Fehde stehenden Dingen hier alles
    zusammenfindet, Dinge, die berufen scheinen, ein
    Fünf-Weltteile-Rendezvous und dabei zugleich das
    bunte, reiche Leben zu veranschaulichen, das der
    Besitzer aller dieser Herrlichkeiten führen

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