Wanderungen durch die Mark Brandenburg
gegründet worden war, es war jetzt wie
mitgegründet für sie . Denn sie war auch verwaist, eine verwaiste Mutter, und der Tochter zu folgen der
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einzige Wunsch noch, der ihr Herz erfüllte. Sie sehn-
te sich nach Wiedervereinigung mit ihr, und als der
Todesjahrestag gefeiert werden sollte, sagte sie:
»Mir ist, als ob wir heut ihren Geburtstag feierten.
Ich fühle mich fremd und allein hier und möchte sie
doch nicht wiedersehn auf dieser armen Erde.«
Von Aufgaben war ihr nur noch eine geblieben: Ausführung alles dessen, was der Tochter einst ein
Wunsch gewesen. Und sie begann damit. Aber eh ein
Jahr um war, unterbrach ein neuer Todesfall das e-
ben erst Begonnene: die verwitwete Gräfin
Schlabrendorf starb und hinterließ ihr, der Schwäge-
rin, das Gröbener Erbe. Dies hätte nun unter Um-
ständen eine Freude sein können, aber es entsprach
wenig den Frau von Scharnhorstschen Ansprüchen
und Neigungen, und von dem Augenblick an fast, wo
sie das Erbe hatte, beschäftigte sie der Wunsch, es
wieder los zu sein. Sie fühlte sich durch dasselbe
nicht gefördert und gehoben, sondern nur beengt
und gebunden in dem , was ihr einzig und allein noch in der Seele lag, und so kam sie zu dem Entschlusse,
beide Güter zu verkaufen. Aber an wen? »Nur an
einen Wohlhabenden«, so schrieb sie, »der meinen
braven Leuten, wenn sie des Beistandes bedürftig
sind, diesen Beistand auch leisten kann und leisten will – nur an einen wohlhabenden Mann von ehrenwerter und frommer Gesinnung will ich die Güter
verkaufen, ohne Rücksicht auf einen höheren oder
geringeren Preis.« Einen solchen Käufer glaubte sie
schließlich in Herrn von Jagow-Rühstädt, Erbjäger-
meister der Kurmark Brandenburg, gefunden zu ha-
ben, der denn auch, nach längeren Unterhandlun-
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gen, die beiden Güter für die Summe von
120 000 Talern an sich brachte. Sie selbst erhob nur
noch den Anspruch: in Gröben das Herrenhaus be-
ziehen und es auf Lebenszeit als ihren Witwensitz
ansehen zu dürfen. Diese Bedingung wurde gern
erfüllt, und im Frühjahr 1860 erfolgte Frau von
Scharnhorsts Übersiedlung aus dem Herrenhause zu
Siethen in das zu Gröben. Es wurd ihr sehr schwer,
dieser Umzug und Ortswechsel, und ich finde dar-
über in einem mir vorliegenden Schwesternbriefe das
Folgende: »Frau von S. ließ mich rufen, und wir wa-
ren nun das letzte Mal in dem traulichen Siethner
Herrenhause zusammen, in dem sie vierunddreißig
Jahre lang in Segen gewirkt hatte. Sie war sehr
ernst, las mit mir das zweiundvierzigste Hauptstück
aus Thomas a Kempis' ›Nachfolge Christi‹ und rief
dann ihre Leute herein, um sich von ihnen zu verab-
schieden. Alles weinte. Danach erhob sie sich, sah
sich noch einmal in den alten Räumen um und ging
endlich, meine Hand ergreifend, mit mir nach dem
Asylhause hinüber. Da legte sie sich nieder, und erst
als sie wieder Fassung gewonnen hatte, fuhr sie nach
Gröben, das nun, wider ihren Willen, ihr neues Heim
geworden war.«
In diesem lebte sie noch sieben Jahr, all jenen Auf-
gaben hingegeben, die die schöne Hinterlassenschaft
ihrer Tochter Johanna bildeten. An die Stelle des al-
ten Fachwerkhauses in Siethen, das fünf Jahre lang
und länger als Zufluchts- und Pflegestätte gedient
hatte, trat ein massiver Neubau, der den Namen
»Tabea-Haus« erhielt, auf dem Kirchhof ebenda-
selbst entstand eine Grabkapelle nebst einer daran
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anschließenden geräumigen Leichenhalle, vor allem
aber wurd ein Kapital angesammelt und deponiert,
aus dem, nach Ablauf einer bestimmten Frist, ein
Pfarrhaus und eine selbständige Siethner Pfarre ge-
gründet werden sollte. Die Durchführung all dieser
Pläne bot ihr das, was ihr ein immer einsamer wer-
dendes Leben überhaupt noch bieten konnte: den
Trost und die Freude der Arbeit. Ebenso wuchs ihre
Liebe zu den Kindern, deren Heiterkeit sie suchte,
wie der Fröstelnde die Sonne sucht.
Endlich aber war die Stunde da, nach der sie sich seit
lange gesehnt. »Als ich von Siethen herüberkam und
ihre Hand faßte, kannte sie mich nicht mehr; sie war
ohne Bewußtsein. Der Geistliche las ihr, wie sie's in
gesunden Tagen eigens gewollt hatte, Bibelsprüche
vor, von denen sie den schönen Glauben unterhielt,
daß dieselben auch ihren umnachteten Geist durch-
dringen, ihr Herz erheben und Trost und Heil ihr
spenden müßten. Und unter diesen schönsten und
schlichtesten Litaneien schlief sie hinüber.«
»An geistiger
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