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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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tun.«
    In diesen wenigen Zeilen spricht sich ihr allerei-
    genstes Wesen aus; sie hatte von dieser Herzensein-
    falt mehr denn irgendwer, den ich kennengelernt,
    aber freilich zugleich auch die vollkommenste Demut
    und sah in sich nichts von all dem Schönen und Be-
    vorzugten, das ihr durch Gottes Gnade so reichlich
    zuteil geworden war. Es war ihr eben Bedürfnis, and-
    re Menschen höherzustellen als sich selbst und nichts
    lag ihr ferner als die Vorstellung, daß sie selber ein
    Vorbild sei.
    Ich durfte der an mich ergangenen Aufforderung
    folgen und traf noch zur Einweihung der Anstalt in
    Siethen ein. Es war zur Begründung derselben ein
    Müllerhaus angekauft worden, dessen Besitzer, ein
    streng kirchlicher Mann, einige Jahre vorher nach
    Amerika ausgewandert war. Alles gedieh in diesem
    seinem ehemaligen Heim, und als er nach einiger
    Zeit davon hörte, schrieb er zurück. »Wie freut es
    mein altes Herz, daß meine vier Wände nun die
    Heimstätte für so viel Gutes geworden sind.« Und er
    rief den ferneren Segen Gottes dafür an.
    Ich sagte, daß ich noch zur Einweihung eintraf. Diese
    fand im August statt. Es war ein schöner Tag, und
    der Geistliche sprach über die Wichtigkeit unsres
    Berufes und daß dieser »Beruf des Erziehens zu
    Gott« ein Glück und eine Ehre für uns sei. Von der
    Gemeinde fehlte niemand, und unter den erschiene-
    nen Gästen war auch Agnes von Scharnhorst (eine

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    Cousine Johannas) und der Verlobte derselben, Ba-
    ron von Münchhausen. Als Schlußgesang war Johan-
    nas Lieblingslied gewählt worden, und während die
    Kinderstimmen es intonierten, wurde sie, der es galt,
    tief bewegt, und sie weinte lang und schmerzlich.
    Gedachte sie doch, wie sie mir später in vertrauli-
    chem Gespräche mitteilte, nunmehr zurückliegender
    Tage, deren Schmerz sich ihr in diesem Augenblick
    erneuerte. Sie nahm eben Abschied von manchem,
    was ihr lieb gewesen, und erbat sich Kraft und Mut
    und Ausdauer zu dem Wege, der nun dunkel vor ihr
    lag.
    Aber er hellte sich auf, dieser Weg, und es kamen
    auf eine gute Weile, wenn auch freilich nicht auf lan-
    ge genug, jene glücklichen und gesegneten Tage, die
    der alte Müller für uns erbeten hatte. Mutter und
    Tochter wetteiferten alsbald und halfen überall. Es
    war ein frisches, fröhliches Arbeiten, und ich konnte
    nach Haus und nach Kaiserswerth hin schreiben,
    »daß mir ein lieblich Los gefallen sei«. Wir hatten
    vorsorglich und ängstlich fast mit einer Kleinkinder-
    und Sonntagsschule begonnen, aber der Feuereifer
    beider Scharnhorstschen Damen konnte sich kein
    Genüge tun, und ehe noch viel Zeit ins Land gegan-
    gen war, war aus jenen ersten Anfängen auch schon
    ein Krankenhaus und bald danach auch ein Waisen-
    haus geworden.
    Unter den vielen Gaben, die Johanna für ihren Beruf
    mitbrachte, war auch die des Erzählens. Sie wußte
    Geschichten aller Art mit einer ihr eigentümlichen, zu
    Herzen gehenden Einfachheit vorzutragen und dabei

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    jeden Ton zu treffen, am glücklichsten vielleicht den humoristischen. Es war eine Lust, ihr zuzuhören,
    wenn sie Grimmsche Märchen oder Glaubrechts hüb-
    sche Geschichte von Küppels Michel erzählte.
    Dieser heitre Zug, in den sich selbst ein Anflug von
    Ironie mischen konnte, sprach sich auch sonst noch
    in ihrem Wesen aus. Einmal hatt ich Urlaub in meine
    westfälische Heimat genommen, schrieb von dorther
    und erhielt alsbald einige Zeilen, in denen es hieß:
    »Es freut mich, daß Sie so treulich an unser kleines
    und einsames Siethen denken, von dem ich Sie nur
    noch bitte, den lieben Ihrigen kein allzu sibirisches Bild entwerfen zu wollen.« Sie kannte die komisch-falschen Vorstellungen, die man wenigstens damals
    noch in Süd- und Westdeutschland von der Mark
    Brandenburg unterhielt, und widerstand dem Anreize
    nicht, diese Vorstellungen zu persiflieren.
    Ja, sie hatte diesen humoristischen Zug, aber er
    streute doch nur ein weniges von Frohsinn und Hei-
    terkeit über ihr Leben aus, und was sie, wenn wir
    über Feld gingen, am liebsten sah: ein weißes Mohn-
    feld mit ein paar roten Mohnblumen dazwischen –
    das war recht eigentlich sie selbst. Der Grundton
    ihrer Seele war elegisch und blieb es auch in ihrer
    glücklichsten Zeit.
    In dieser standen wir jetzt, in jenen Wochen und Monaten, die der Gründung der Anstalt unmittelbar
    folgten, und wie jegliches um uns her gedieh, so ge-
    dieh auch Fräulein Johanna selbst. Es erschien uns
    oft, als ob ihr unter immer neuer Arbeit

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