Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Fräulein von Görtzke traf es durchaus, als sie mal in ihrer humoristisch-treuherzigen Weise sagte: ›Frau Johanna fühlt sich nur wohl, wenn sie neben ihrer all-
täglichen Sorge noch ein ganz besonderes Unglück in
der Tasche hat.‹ In der Tat, es war ihr von Jugend-
tagen an viel auferlegt worden, indessen doch nicht
so viel, daß nicht ein glücklicheres Naturell es hätte
bemeistern können. Sie wollt es aber nicht und suchte nur umgekehrt nach allem Bittren des Daseins,
das für sie längst das Süße geworden war. In ihrem
feinen Nervenleben auf jedes Kleinste reagierend,
leicht empfindlich und verletzt und als echte
Schlabrendorf auch Stimmungen und selbst Launen
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unterworfen, gelang es ihr nicht , zu jenem schönen Frieden der Seele durchzudringen, nach dem sie sich
beständig sehnte. Sie verzieh Kränkungen völlig,
aber sie vergaß sie nicht, und so blieb ihr beständig
ein Stachel im Gemüte, der sein Wesen dadurch
nicht einbüßte, daß er sich zumeist und in erster
Reihe gegen sie selber richtete. So wurde sie denn,
alles Kämpfens und Strebens unerachtet, von Jahr zu
Jahr immer bitterer, und viele kleine Züge legen
Zeugnis davon ab. Einer, als besonders charakteris-
tisch, mag hier eine Stelle finden. Es existierten zwei Bilder von ihr, die der Düsseldorfer Professor Hildebrandt in den Tagen seiner und ihrer Jugend gemalt
hatte. Das eine dieser Bilder besaß sie selbst, das
andere war eine Kopie, die sich ihr Bruder, Graf Leo,
bei demselben Maler bestellt hatte. Auch dies zweite
Bild kam in ihren Besitz, als sie, nach dem Tod ihrer
Schwägerin, der Gräfin Emilie von Schlabrendorf, die
Gröbner Erbschaft angetreten. Aber davon ausge-
hend, daß ihr Andenken und Gedächtnis in keinem
Herzen, ihre Siethner Gemeinde vielleicht ausge-
nommen, liebevoll fortleben werde, war es ihr wi-
derwärtig, ihre Bilder in die Hände fremder und
gleichgültiger Menschen übergehen zu sehen. Und so
ließ sie denn im Sommer 66, in demselben Sommer,
der ihrem Tode vorausging, beide Bilder wohlver-
packt in eine Gondel bringen, stieg selbst hinein,
fuhr mitten auf den Gröbner See hinauf und versenk-
te sie daselbst. Mit den Bildern zugleich allerhand
Briefschaften und Erinnerungen aus ihrer Jugend-
zeit.«
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Auf dem Siethner Kirchhofe ruht sie neben der ihr
voraufgegangenen Tochter, und die Schöpfungen
beider umstehen ihr Grab. An den Schluß ihrer Le-
bensschilderung aber stell ich folgende Worte: »Zu
dem seltenen Glück einer harmonischen Überein-
stimmung in Lebensauffassung, häuslichem Verkehr
und Freundesumgang gesellte sich hier als seltenste
der Gnaden eine jeden Tag neu gesegnete Tätigkeit,
eine Wirkungssphäre , wie sie sich einer stillen und hingebenden Liebe zwar nicht ohne Müh und Arbeit,
aber doch ihrer ganzen Natur nach fast wie von sel-
ber erschloß.«
III
Gröben und Siethen jetzt
Herr Karl von Jagow, Erbjägermeister der Kurmark,
hatte, wie hervorgehoben, Gröben und Siethen im
Herbst 1859 erworben. Er blieb aber persönlich auf
seiner väterlichen Besitzung Rühstädt bei Wilsnack in
der Prignitz und übertrug die Verwaltung der beiden
Teltow-Güter einem ausgezeichneten Landwirte, der
denn auch ohne Verzug allerlei Verbesserungen ein-
leitete. Diese waren in der Tat nötig geworden, da,
seit dem Tode Graf Leos, alles zurückgegangen oder
doch ins Stocken geraten war. Das Interesse der
Frauen drehte sich eben um andere Fragen als land-
wirtschaftliche. Mit Wiesenkulturen und Bruchent-
wässerungen, an die sich bald auch eine lohnendere
Behandlung der Forstreviere schloß, wurde begon-
2828
nen, und in rascher Reihenfolge folgten Wirtschafts-
gebäude, Tagelöhnerhäuser und Etablissements aller
Art. Auch eine neue Brennerei ward als unerläßlich
hergerichtet, da das, was sich aus alter Zeit her noch
so nannte, kaum noch diesen Namen verdiente.
Zugleich aber war der Wunsch des Herrn von Jagow,
eines Besitzes wieder los und ledig zu sein, der viel
Anforderungen und wenig Erträge mit sich brachte,
von Jahr zu Jahr gewachsen, und er verkaufte des-
halb beide Güter im Jahre 79 für die Summe von
180 000 Talern an den Engroskaufmann Badewitz in
Berlin. Seitens dieses letzteren ist, der kurzen Span-
ne Zeit unerachtet, bereits viel geschehen und (um
nur eines zu nennen) ein geschmackvolles und mo-
dernen Ansprüchen mehr entsprechendes Herren-
haus in Siethen errichtet worden.
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