Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Mai 1794, gestorben
27. Juli 1851.« Rechts: »Karoline Christiane Emilie
Gräfin von Schlabrendorf, geborne von Ryssel, gebo-
ren 4. Oktober 1797, gestorben
2. September 1858.«
Das Kruzifix ist einer süddeutschen Arbeit nachgebil-
det und zeichnet sich durch Stil und Schönheit aus.
Seine vergoldeten Nägelköpfe fielen ein paar vor-
überziehenden Strolchen zum Raube, die hier mit
frecher Hand eine Verstümmlung übten; aber die
Verstümmlung hat dem Heilandsbild in nichts ge-
schadet, und nur ernster und ergreifender sprechen
seitdem seine dunklen Male.
1. An dieser in Portlandzement ausgeführten
Kanzel befinden sich die Statuetten von Lu-
ther, Melanchthon und Calvin , was, unmittel-
bar vor Einweihung der Kirche, eine Contro-
verse herbeiführte. Da Gröben, von den Ta-
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gen der Reformation an, immer lutherisch
gewesen war, so protestierte der Geistliche,
trotz seiner intimen Stellung zur Patronin,
aufs entschiedenste gegen die Zulassung Cal-
vins. Aber Frau von Scharnhorst bestand dar-
auf und drang mit ihrem Willen durch. Es
scheint mir indessen unzweifelhaft, daß der
Geistliche (Pastor Henschke, Freund und Er-
zieher Fräulein Johannas) im Rechte war. Es
würde doch beispielsweise sehr auffallen und
dem entschiedensten Widerspruch aller re-
formierten Geistlichen begegnen, wenn sei-
tens einer zufälligen Majorität unserer »Kolo-
nie« plötzlich der Beschluß gefaßt werden
sollte, die Statue Luthers an den Kanzeln un-
serer französisch-reformierten Kirchen anzu-
bringen.
Siethen jetzt
Auch Siethen hat nur ein märkisches Durchschnitts-
ansehen, verfügt aber, ebenso wie Gröben, über
Denkmäler, alte und neue, von einem gewissen his-
torischen Interesse. Dahin gehören die Kirche, der
Kirchhof und vor allem auch die Stiftungen, die die
beiden Scharnhorstschen Frauen, Mutter und Toch-
ter, hier ins Leben riefen.
Unter diesen Stiftungen steht das 1855 interi-
mistisch, in seiner gegenwärtigen Gestalt aber
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erst 1860 als Erziehungs- und Waisenhaus gegrün-
dete Tabea -Haus obenan. Es ist ein schlichtes, einstöckiges Gebäude, das baulich wenig auffällt. In
einem Vorgarten spielen Kinder und überraschen
ebensosehr durch den freundlichen Ausdruck ihrer
Augen wie durch die Sauberkeit und Gleichförmigkeit
ihrer Tracht. Über das Walten in diesem Hause, des-
gleichen über die Bestimmung, Einrichtung und Aus-
schmückung seiner Räume geh ich hinweg und be-
gnüge mich, eines Bildes Erwähnung zu tun, das in
dem in Front gelegenen Empfangszimmer hängt. Es
ist ein von dem Maler Professor Remy herrührendes
Bildnis Fräulein Johannas in Diakonissentracht, aus
dem all das spricht, was ihr Wesen ausmachte: Güte,
Demut, frommer Sinn und eine dem Irdischen be-
reits abgewandte Freudigkeit. Auch jene blühenden
Farben fehlen nicht, die, mehr als damals geahnt,
auf eine nur kurze Pilgerschaft hindeuteten.
Gegenüber dem Tabea-Hause liegt die (wie die grö-
bensche) wohl auch dem dreizehnten Jahrhundert
entstammende Feldsteinkirche. Während aber die
Gröbner in den fünfziger Jahren einen Neubau er-
fuhr, erfuhr die Siethner eine bloße Renovierung.
Diese richtete sich unter anderm auch auf Wieder-
herstellung der sehr malerischen, aber zum Teil
verblaßten und unscheinbar gewordenen Wappen-
schilde , die die Wandung der Emporen umkleideten und ungefähr einer Namensaufzählung aller Familien,
mit denen die Schlabrendorfs einst versippt und
verschwägert waren, entsprachen. Aus der Reihe
dieser Familien nenn ich nur folgende: Pfuel, Hake,
Katte, Waldenfels, Wuthenow, Schlieben, Putlitz,
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Krummensee, Burgsdorf, Schulenburg, Thümen,
Blumenthal, Schöning, Arnim, Wedel, Bellin. Über
minder gekannte geh ich hin und hebe nur noch her-
vor, daß es die beiden Cousinen Johanna von
Scharnhorst und Agnes von Scharnhorst waren, die
sich dieser mühevollen und Jahr und Tag in Anspruch
nehmenden Arbeit unterzogen.
Aus der Kirche treten wir auf den schönen, im Schut-
ze prächtiger Bäume gelegenen Kirchhof hinaus und
werden an seiner nordwestlichen Einfassungsmauer
eines ansehnlichen, in romanischem Stile gehaltenen
Baues ansichtig, der unsere Neugier weckt. Auf uns-
re Frage hören wir, daß es die schon erwähnte Grab-
kapelle samt Leichenhalle sei, die Frau von Scharn-
horst – auch darin einem von der Tochter geäußer-
ten Wunsche wallfahrend – um das Jahr 60, und
zwar unter Aufwand ziemlich
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