Wanderungen durch die Mark Brandenburg
jeder-
zeit abgeneigt, den Beutel zu ziehen, auch wenn es
sich erst um weit, weit ausstehende Dinge handelt,
bleibt er lieber Filial, als daß er sich der Auszeich-
nung eines eignen Pfarrsitzes1) erfreuen sollte.
Der Kirchhof, auf den wir jetzt zurücktreten, ist reich an Steinen und Kreuzen, auf denen einzelne klangvolle Namen zu lesen sind. »Ernst Carl Leopold von
Uslar-Gleichen« und an andrer Stelle: »Hier ruht
Frau Clara von Chaumontet, geborne Gräfin zu Doh-
na.« Beide waren Scharnhorstsche Verwandte, die
hier vom Tod überrascht oder doch zu früher Le-
bensstunde von ihm gebannt und festgehalten wur-
den.
Aber auch solche ruhen hier, die der Tod an diese
Stelle nicht unerbittlich bannte, sondern die sich's
umgekehrt als einen letzten Wunsch ausbaten, hier
ruhen zu dürfen . » Ihrem Wunsche gemäß ruht hier Sophie Elisabeth Luise Honig, geboren zu Berlin den
17. März 1790, gestorben ebendaselbst den
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21. November 1843.« Ihr Vater hatte Siethen bis
Ende des Jahrhunderts besessen, und in Kindertagen
hatte sie hier gespielt. Hier zwischen den Gräbern.
Es war ihr in Erinnerung geblieben, und nun verlang-
te sie's nach dieser Stelle, der einzigen vielleicht, an der sie glücklich gewesen war.
Eine größre, von einem Eisengitter eingefaßte Grab-
stätte liegt in der Mitte des Kirchhofs, fast dem Ta-
bea-Hause gegenüber. Es ist die Stätte, wo beide
Johanna von Scharnhorsts, Mutter und Tochter,
ruhn. Ein Steinkruzifix, wie das gröbensche, steht zu
beider Häupten, und nur zu Füßen des Gekreuzigten
erhebt sich an dieser Stelle noch eine zweite Figur: eine betende Maria. Blumen und Efeu wachsen über
die Gräber hin, und Trauereschen umstehen das Git-
ter. In den Sockel des Kruzifixes aber sind folgende
Namen und Daten eingetragen: »Johanna von
Scharnhorst, geborne Gräfin von Schlabrendorf, ge-
boren am 22. April 1803, gestorben am
6. Januar 1867.« Und links daneben: »Johanna von
Scharnhorst, den 16. November 1825 zu Trier gebo-
ren, den 13. Oktober 1857 zu Wildbad dem Herrn
entschlafen.«
Und nun nehmen wir Abschied und schreiten ohne
weitre Säumnis aus dem Dorf auf die schmale
Dammstelle zu, die, genau halben Wegs zwischen
den Schwesterdörfern, eine mit wenig Bäumen be-
standene Landenge bildet und nach rechts hin einen
Blick auf den Siethner und nach links hin auf den
Gröbener See gestattet.
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In gleicher Schönheit breiten sich beide vor uns aus,
aber während der mehr flachufrige Gröbener See
sich endlos auszudehnen und erst am Horizont inmit-
ten einer im blauen Dämmer daliegenden Hügelkette
seinen Abschluß zu finden scheint, ist der Siethner
enger und dichter umstellt, und die Parkbäume nei-
gen sich über ihn und spiegeln sich darin. Auf beiden
aber ruht derselbe Frieden und dieselbe Schwermut.
Und diese Schwermut ist ihr Zauber. Ein matter Luft-
zug geht, und nur matter noch geht und klappert die
Mühle. Die Wasserente taucht, und aus der Tannen-
schonung steigt ein Habicht auf, um die letzten Son-
nenstrahlen einzusaugen – jetzt aber verflimmert es
rot und golden im Gewölk, und im selben Augenbli-
cke schießt er wieder ins Dunkel seiner Jungtannen
nieder.
Auch die Mühle schweigt und der Wind. Und alles ist
still.
1. Während der Verhandlungen, die bereits viel-
fach über die Pfarrgründungsfrage stattge-
funden haben, ist es bis jetzt ganz unmöglich
gewesen, den Bauer aus dem Sattel zu he-
ben. Auf die Bemerkung: »Und ihr werdet
dann auch nicht länger nötig haben, eure Kin-
der bei Winterwetter eine halbe Meile weit
zum Konfirmationsunterricht zu schicken«,
antwortete man einmütig: »Ei, auf diese zwei
Tage freuen sich ja die Kinder die ganze Wo-
che; da haben sie Schlitterbahn und schnee-
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ballen sich und kommen immer frisch und
munter nach Hause.«
Der Scharnhorst-Begräbnisplatz
auf dem Berliner
Invalidenkirchhof
»Grüß euch Gott, ihr teuren Helden!
Kann euch frohe Zeitung melden:
Unser Volk ist aufgewacht.
Deutschland hat sein Recht gefunden,
Schaut ich trage Sühnungswunden
Aus der heil'gen Opferschlacht.«
Max von Schenkendorf
Johanna von Scharnhorst ruht auf dem Dorfkirchhofe
zu Siethen, alle anderen von Scharnhorsts aber, Kin-
der wie Enkel, ruhen auf dem Invalidenkirchhofe zu
Berlin, und zwar in einem Halbkreis um das ihrem
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berühmten Vater beziehungsweise Großvater eben-
daselbst errichtete Grabdenkmal her.
Dies Grabdenkmal entstand in
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