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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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bedeutender Mittel,
    errichtet habe. Zu Nutz und Frommen der Siethner,
    aber – nur in Absicht und Vorstellung. In Wirklichkeit ist noch kein Toter aus Siethen in diese Halle gestellt und noch kein Totengebet über ihn hin in der unmittelbar anstoßenden Kapelle gesprochen worden.
    Und hier ist nunmehr die Stelle gegeben, wo Kritik
    geübt werden muß, ich weiß nicht, ob mehr an den
    Siethnern oder an den zwei frommen Frauen.
    Dieser letzteren Tun und Wirken war unzweifelhaft in
    hohem Maße segensvoll und förderte nicht bloß, wie
    sich statistisch nachweisen ließe, jegliches Gute, sondern stimmte die Dorfbevölkerung auch zu ganz
    aufrichtigem und in mehr als einem Falle zu gerade-

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    zu bewunderndem Dank. An dieser erfreulichen
    Hauptsache wird nichts geändert. Aber andrerseits gingen beide Damen in ihrem Hochfluge gelegentlich
    zu weit, und wie Kaiser Joseph einst dem österreichi-
    schen Volke mehr Aufklärung gab, als es haben woll-
    te, so gaben hier die Scharnhorstschen Damen ihren
    Siethnern ein Maß von Fortschritt, Wohltat und Hilfe,
    das über das Verständnis und jedenfalls über
    Wunsch und Bedürfnis all derer hinausging, die da-
    durch beglückt werden sollten. Beide Damen ver-
    kannten die bäuerliche Natur, unterließen es, die
    Macht der Gewohnheit und Sitte gebührend in Rech-
    nung zu stellen, und scheiterten deshalb in allem,
    was über die direkte persönliche Hilfe hinauslag und, im besten Sinne reformatorisch gemeint, aufs Allgemeine hin angesehen sein wollte.
    Dies zeigte sich bei jeder ihrer Stiftungen: bei Grab-
    kapelle, Leichenhalle, Tabea-Haus, und zwar in im-
    mer gleicher oder doch verwandter Weise.
    Die Grabkapelle samt Leichenhalle war darauf be-
    rechnet, namentlich bei Typhusepidemien, vor den
    Gefahren der Ansteckung zu schützen. Aber das war
    lediglich im Sinne der Humanität und keineswegs im
    Sinne der Siethner gedacht. In Siethen verstieß es
    gegen das Herkommen, und jeder Tagelöhner und
    Büdner sagte: »Gefahr hin, Gefahr her. Es paßt sich
    nicht und ist schlecht und feige, solcher Gefahr aus
    dem Wege gehen zu wollen. Unser Vater oder Kind
    ist nun tot, ist uns genommen nach Gottes Willen,
    und ob wir's bequem haben oder nicht, dieser Tote,
    solang er über der Erde, gehört in unser Haus, und

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    uns liegt es ob, an seinem Sarge zu wachen, unbe-
    kümmert darum, ob er uns nachzieht oder nicht.« Es
    mag dies vor dem Verstande schlecht bestehen, vor
    dem Herzen desto besser, und ich habe nicht den
    Mut, einer Gemeinde zu grollen, die lieber ihre Lei-
    chenhalle zerfallen sehn, als ihre Toten vor dem Be-gräbnis aus dem Auge lassen will.
    Ein Ähnliches ist es mit dem Tabea-Haus . Es kommt
    – darin seine Bestimmung erfüllend – allerdings Ar-
    men- und Waisenkindern zugut, aber immer nur
    Waisenkindern aus dieser oder jener, oft sehr ent-
    fernten Stadtgemeinde, während noch kein Siethner Kind als Pflegling in das Haus aufgenommen werden
    konnte, selbst dann nicht, wenn beide Eltern weggestorben waren. Es ist eben in solchem Falle der
    nächsten Anverwandten Amt und Ehrensache, für die
    Verwaisten einzutreten, und sie würden sich mit ei-
    nem nicht zu tilgenden Makel behaften, wenn sie sich
    dieser Pflicht entschlagen wollten.
    Und ablehnend wie gegen Tabea-Haus und Leichen-
    halle verhalten sich die Siethner auch gegen die
    Wohltat einer selbständigen Pfarre , trotzdem ihnen, wie schon hervorgehoben, ein sehr bedeutendes und
    vollkommen ausreichendes Kapital zu diesem Zwe-
    cke zugesichert wurde. Hier spricht nun freilich außer
    Gewohnheit und Pietät auch noch ein drittes und
    viertes mit: Argwohn und unendliche Schlauheit. Aus
    Tradition und eigner Erfahrung weiß der Bauer, daß
    sich an jedes Geschenk über kurz oder lang eine
    Pflicht zu knüpfen pflegt, und dieser aus dem Wege
    zu gehn ist er unter allen Umständen entschlossen.

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    Ein Pfarrhaus ist bewilligt worden, gut; aber es kann
    doch eine Zeit kommen, ja, sie muß kommen, diese Zeit, wo die Fenster im Pfarrhause schlecht, die Staketenzäune morsch und die Dachziegel bröcklig wer-
    den. Und wer tritt dann ein? von wem erwartet man dann die Hilfe? Natürlich von der neuen Kirchenge-meinde, der der neukreierte Herr Pfarrer nunmehr
    vielleicht seit lange schon, seit einem Menschenalter
    und länger, in Ehren und Würden vorgestanden hat.
    Und das will der Bauer nicht. Er weiß nichts von ti-meo Danaos, aber er hat alle darin verborgene
    Weisheit und Vorsicht in seinem Gemüte, und

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