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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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den zwanzig Jahren,
    einer Gegenströmung unerachtet, an der es damals nicht fehlte und auch viel früher schon nicht gefehlt
    hatte. Die Anfänge davon zeigten sich bereits unmit-
    telbar nach dem Tode Scharnhorsts im Hochsom-
    mer 1813, als sich's um Veröffentlichung eines blo-
    ßen Nachrufs handelte, den Clausewitz und Gneisenau gemeinschaftlich abgefaßt hatten. Es mag ges-
    tattet sein, bei diesem Vor ereignis einen Augenblick zu verweilen. Der Nachruf lautete:
    »Am 28. Juni starb zu Prag an den Folgen der bei
    Großgörschen erhaltenen Wunde der königlich preu-
    ßische Generallieutenant von Scharnhorst. Er war
    einer der ausgezeichnetsten Männer unserer Zeit.
    Das rastlose, stetige , planvolle Wirken nach einem Ziele, die Klarheit und Festigkeit des Verstandes, die
    umfassende Größe der Einsichten, die Freiheit von
    Vorurteilen des Herkommens, die stolze Gleichgiltig-
    keit gegen äußere Auszeichnungen, der Mut, in den
    unscheinbarsten Verhältnissen mit den schlichtesten
    Mitteln durch bloße Stärke des Geistes den größten
    Zwecken nachzustreben, jugendlicher Unterneh-
    mungsgeist, die höchste Besonnenheit, Mut und
    Ausdauer in der Gefahr, endlich die umfassendste
    Kenntnis des Kriegswesens machen ihn zu einem der
    merkwürdigsten Staatsmänner und Soldaten, auf
    welche Deutschland je stolz sein durfte.

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    Billig und gerecht im Urteil, sanft und ruhig in allen
    Verhältnissen mit anderen, freundlich, herzlich im
    ganzen Lebensumgange, war er einer der liebens-
    würdigsten Menschen, die den Kreis des geselligen
    Lebens zieren.
    Was er dem Staate gewesen ist und dem Volke und
    der ganzen deutschen Nation, mögen viele oder we-
    nige erkennen, aber es wäre unwürdig, wenn einer
    davon gleichgiltig bliebe bei dem traurigen Todesfall .
    Es müßte keine Wahrheit und Tiefe mehr in der
    menschlichen Natur sein, wenn dieser Mann je von
    denen vergessen werden könnte, die ihm nahege-
    standen, ihn verehrt und geliebt haben.«
    So der Nachruf, dessen staatlich- offizielle Veröffentlichung von seiten seiner Verfasser (Gneisenau und
    Clausewitz) im Hardenbergschen Cabinette gefordert
    wurde. Dort aber stieß diese Forderung auf Wider-
    stand, weniger bei dem Staatskanzler selbst als bei
    seinen Räten I. und von B., und weil man nicht di-
    rekt ablehnen wollte, bemängelte man einzelnes und
    hob in einem an Gneisenau gerichteten Antwort-
    schreiben hervor, »daß das zweitletzte, vorstehend
    gesperrt gedruckte Alinea dunkel und eine Änderung
    desselben wünschenswert sei; Scharnhorsts Ver-
    dienste seien allgemein gefühlt und anerkannt«.
    Gneisenau jedoch war nicht umzustimmen und
    schrieb unterm 4. Juli von Patschkau aus: »In eine
    Abänderung der als ›dunkel‹ bezeichneten Stelle
    kann ich nicht willigen. Allgemein gefühlt und aner-

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    kannt ist Scharnhorsts Verdienst keineswegs. Und
    wenn es nicht allgemein anerkannt ist, warum dies nicht sagen? Jeder große Mann hat seine Freunde
    und seine Verunglimpfer, und gerade darin, daß er
    es nicht darauf anlegte, jedermann zu gefallen, liegt
    seine Größe. So etwas muß daher bei einem solchen
    Tode gesagt werden. Und wenn die bezweifelte Stel-
    le, ungeachtet dessen, was ich zu ihrer Rechtferti-
    gung anführe, nicht gedruckt werden soll, so bitte ich den ganzen Aufsatz zu unterdrücken.
    von Gneisenau«
    Man mag sich zu dieser Controverse1) stellen, wie
    man will, eines erhellt daraus: ein Vorhandensein von Antagonismen und Gereiztheiten, über deren
    Ursachen ich mich an dieser Stelle nicht weiter
    verbreiten mag. Es war eben eine »Gegenströmung«
    da, das war unzweifelhaft, und diese dauerte fort, als
    einige Jahre später von seiten der Scharnhorst-
    Freunde der Plan angeregt wurde, seine irdischen
    Überreste von Prag her nach Berlin zu schaffen und
    ihm daselbst ein Denkmal zu setzen. »Anfangs«, so
    schreibt Minutoli, »flossen die Beiträge reichlich; a-
    ber die Wahrheit erfordert einzugestehen, daß sich
    beim Einsammeln auch Teilnahmlosigkeit, Engher-
    zigkeit, ja sogar Mißgunst zu erkennen gab.«
    Im Sommer 1819 hatten diese Sammlungen begon-
    nen, indessen erst fünfzehn Jahre später, am
    2. Mai 1834, wurde das Grabmonument, an dessen
    Herstellung unsere besten künstlerischen Kräfte mit-
    gewirkt haben, beendigt. Von Schinkel war der Ent-

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    wurf, insonderheit auch der architektonische Aufbau
    des Ganzen; Rauch hatte den berühmten schlafen-
    den Löwen und Friedrich Tieck die den Sarkophag
    umziehenden

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