Wanderungen durch die Mark Brandenburg
den zwanzig Jahren,
einer Gegenströmung unerachtet, an der es damals nicht fehlte und auch viel früher schon nicht gefehlt
hatte. Die Anfänge davon zeigten sich bereits unmit-
telbar nach dem Tode Scharnhorsts im Hochsom-
mer 1813, als sich's um Veröffentlichung eines blo-
ßen Nachrufs handelte, den Clausewitz und Gneisenau gemeinschaftlich abgefaßt hatten. Es mag ges-
tattet sein, bei diesem Vor ereignis einen Augenblick zu verweilen. Der Nachruf lautete:
»Am 28. Juni starb zu Prag an den Folgen der bei
Großgörschen erhaltenen Wunde der königlich preu-
ßische Generallieutenant von Scharnhorst. Er war
einer der ausgezeichnetsten Männer unserer Zeit.
Das rastlose, stetige , planvolle Wirken nach einem Ziele, die Klarheit und Festigkeit des Verstandes, die
umfassende Größe der Einsichten, die Freiheit von
Vorurteilen des Herkommens, die stolze Gleichgiltig-
keit gegen äußere Auszeichnungen, der Mut, in den
unscheinbarsten Verhältnissen mit den schlichtesten
Mitteln durch bloße Stärke des Geistes den größten
Zwecken nachzustreben, jugendlicher Unterneh-
mungsgeist, die höchste Besonnenheit, Mut und
Ausdauer in der Gefahr, endlich die umfassendste
Kenntnis des Kriegswesens machen ihn zu einem der
merkwürdigsten Staatsmänner und Soldaten, auf
welche Deutschland je stolz sein durfte.
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Billig und gerecht im Urteil, sanft und ruhig in allen
Verhältnissen mit anderen, freundlich, herzlich im
ganzen Lebensumgange, war er einer der liebens-
würdigsten Menschen, die den Kreis des geselligen
Lebens zieren.
Was er dem Staate gewesen ist und dem Volke und
der ganzen deutschen Nation, mögen viele oder we-
nige erkennen, aber es wäre unwürdig, wenn einer
davon gleichgiltig bliebe bei dem traurigen Todesfall .
Es müßte keine Wahrheit und Tiefe mehr in der
menschlichen Natur sein, wenn dieser Mann je von
denen vergessen werden könnte, die ihm nahege-
standen, ihn verehrt und geliebt haben.«
So der Nachruf, dessen staatlich- offizielle Veröffentlichung von seiten seiner Verfasser (Gneisenau und
Clausewitz) im Hardenbergschen Cabinette gefordert
wurde. Dort aber stieß diese Forderung auf Wider-
stand, weniger bei dem Staatskanzler selbst als bei
seinen Räten I. und von B., und weil man nicht di-
rekt ablehnen wollte, bemängelte man einzelnes und
hob in einem an Gneisenau gerichteten Antwort-
schreiben hervor, »daß das zweitletzte, vorstehend
gesperrt gedruckte Alinea dunkel und eine Änderung
desselben wünschenswert sei; Scharnhorsts Ver-
dienste seien allgemein gefühlt und anerkannt«.
Gneisenau jedoch war nicht umzustimmen und
schrieb unterm 4. Juli von Patschkau aus: »In eine
Abänderung der als ›dunkel‹ bezeichneten Stelle
kann ich nicht willigen. Allgemein gefühlt und aner-
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kannt ist Scharnhorsts Verdienst keineswegs. Und
wenn es nicht allgemein anerkannt ist, warum dies nicht sagen? Jeder große Mann hat seine Freunde
und seine Verunglimpfer, und gerade darin, daß er
es nicht darauf anlegte, jedermann zu gefallen, liegt
seine Größe. So etwas muß daher bei einem solchen
Tode gesagt werden. Und wenn die bezweifelte Stel-
le, ungeachtet dessen, was ich zu ihrer Rechtferti-
gung anführe, nicht gedruckt werden soll, so bitte ich den ganzen Aufsatz zu unterdrücken.
von Gneisenau«
Man mag sich zu dieser Controverse1) stellen, wie
man will, eines erhellt daraus: ein Vorhandensein von Antagonismen und Gereiztheiten, über deren
Ursachen ich mich an dieser Stelle nicht weiter
verbreiten mag. Es war eben eine »Gegenströmung«
da, das war unzweifelhaft, und diese dauerte fort, als
einige Jahre später von seiten der Scharnhorst-
Freunde der Plan angeregt wurde, seine irdischen
Überreste von Prag her nach Berlin zu schaffen und
ihm daselbst ein Denkmal zu setzen. »Anfangs«, so
schreibt Minutoli, »flossen die Beiträge reichlich; a-
ber die Wahrheit erfordert einzugestehen, daß sich
beim Einsammeln auch Teilnahmlosigkeit, Engher-
zigkeit, ja sogar Mißgunst zu erkennen gab.«
Im Sommer 1819 hatten diese Sammlungen begon-
nen, indessen erst fünfzehn Jahre später, am
2. Mai 1834, wurde das Grabmonument, an dessen
Herstellung unsere besten künstlerischen Kräfte mit-
gewirkt haben, beendigt. Von Schinkel war der Ent-
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wurf, insonderheit auch der architektonische Aufbau
des Ganzen; Rauch hatte den berühmten schlafen-
den Löwen und Friedrich Tieck die den Sarkophag
umziehenden
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