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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Staffage ging über die Landschaft.
    Was den Baa-See zu keiner tieferen Wirkung kommen läßt, ist wohl das, daß er jener Mischgattung von Seen angehört, die zu finster sind, um zu erheitern, und doch wieder zu heiter, um den vollen Eindruck des Schauerlichen zu machen. Viel freilich hängt dabei von der Beleuchtung und noch mehr vielleicht von der Jahreszeit ab.
    Wir sahen ihn bei Sonnenschein. Ein Boot mit zwei Jägerburschen fuhr über den See; der eine ruderte, während der andere von Zeit zu Zeit Hornsignale in den Wald blies.
    Ungleich schöner muß es an dieser Stelle sein, wenn das Laub hin ist und statt der grünen Kronen die grauverzweigten Buchen ihr Bild in den See werfen. Am schönsten aber in Sturm- und Winternächten, wenn der Mond grell-eisig am Himmel steht und statt des Jagdhorns des Jägerburschen, das eben verklingt, das Hallo des Wilden Jägers über Wald und See zieht.
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6. Hans Sachs von Freienwalde
    Ich habe schon wieder auf Lieder gedacht,
Ich fühle so frisch mich, so jung.
    Chamisso

     
    Die Straßen in Freienwalde sind Hügelstraßen und führen bergauf und bergab. Die belebteste derselben, die Berliner Straße, haben wir eben ihrer ganzen Länge nach passiert und noch immer nicht gefunden, was wir suchen. Aber das muß es sein – es ist das letzte Haus. Ein Berg und eine Kirche bilden den Hintergrund, nach der Straße zu stehen drei Linden, und inmitten dieser Landschaftsrequisiten erhebt sich ein alter Fachwerkbau, an dem ein erkerartig vorspringendes Fenster und zwei Rosenbäume so ziemlich das Beste sind. Die Rosenbäume fassen das Fenster ein, aber sie müssen den schmalen Raum mit zwei Aushängebrettern teilen, auf denen wir im Lapidarstil lesen: »Schirme repariert; Drechslerarbeit in Holz und Horn.« Dazu eine große, in Holz geschnittene Tahakspfeife, die als Ornament deutungsreich über dem Ganzen schwebt.
    Das ist allerdings, was wir suchen. Hier wohnt Karl Weise, Poet und Drechslermeister von Freienwalde,
    Drechselt Pfeifen in guter Roh
Und macht auch wohl 'nen Vers dazu.
    Das Ganze hat das Anheimelnde einer Poetenwohnung alten Stils, und wir treten guten Mutes ein. Eine Türklingel – nicht eine von den geräuschvollen, die, einmal in Bewegung gesetzt, wie ein bellender Dorfspitz gar kein Ende finden können, sondern eine von den leisen, wohlerzogenen – kündigt unser Eintreten an, und eh wir uns noch in dem Halbdunkel, für das die draußen stehenden drei Linden ausgiebig sorgen, zurechtgefunden haben, erscheint aus der Werkstatt her, wo wir eben noch das Schnurren des Rades hörten, ein stattlicher Mann, hemdsärmlig, in Arbeitskostüm, und sieht uns freundlich fragend an. Er ist brünett, groß, breitschultrig, in seiner ganzen Erscheinung von südslawischem Typus und nach Teint, Haltung und Schnurrbart viel eher ein Sereschaner-Hauptmann als ein Drechslermeister oder Poet. Nichtsdestoweniger ist er beides, und in dem friedliebendsten Dialekt der Welt, im reinen Hallensisch, erkundigt er sich nach unsrem Begehr.
    Wir reichen ihm die Hand, sagen ihm, daß wir als gelegentlich ebenfalls Versbeflissene gekommen wären, »um das Handwerk zu grüßen«, und daß wir vorhätten, wenn irgend möglich, den Abend mit ihm draußen zu verplaudern.
    Unser Poet schlägt ein, die eben untergehende Sonne mahnt ohnehin an Feierabend, und sich auf Minuten bei uns entschuldigend, führt er uns zunächst in das nebenan gelegene Zimmer, das mit seinen geschmückten Wänden die Honneurs des Hauses macht.
    Wir benutzen diese Pause, uns in dem Putz- und Empfangszimmer neugierig umzusehen, und sind überrascht von der Sinnigkeit der Anordnung. Wenn das ganze Haus ein Poetenhaus ist so ist dies das Poetenstübchen. Blumen und Bilder wechseln untereinander ab; Geranium und Primel blicken schüchtern zu einer gipsernen Flora auf, Efeutöpfe spannen ihren grünen Bogen über Schrank und Spiegel, und zwischen allermodernste Farbendrucke drängen sich, in breitem Ebenholzrahmen, ein paar altfranzösische Stiche: »Vue des environs de Saverne; dedié à Madame la Marquise de Vilette, Dame de Ferney-Voltaire«. Das scheint nicht zueinander zu passen, aber es paßt alles sehr gut. Was unsere modernen Zimmereinrichtungen so langweilig macht, das ist das Schablonenhafte und das Beziehungslose . Hier hat alles eine Beziehung, eine Geschichte, wäre diese Beziehung oft auch keine andere als innerhalb der Kleinwelt eine mühevolle Eroberungsgeschichte.
    Unser Poet hat sich inzwischen

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