Wanderungen II. Das Oderland.
seine Produktion, das Gezwungene fiel fort, das Natürliche trat an die Stelle, und ein Jahr später konnte er der Welt seine erste wirkliche Dichtung bieten. Sie führt den Titel »Die Braut des Handwerkers« und ist ein anmutiges Idyll, das uns, in fünf Kapiteln, vom Morgen bis zum Abend des Hochzeitstages geleitet. Alles, was uns ein Menschenherz lieb und wert machen kann, das klingt hier zusammen: Genügsamkeit, kindlich-einfacher Sinn, Liebe, Pietät und Gottvertrauen. Die ersten Gesänge, vielleicht die gelungneren, zeigen uns die Braut, wie sie das »eingebrachte Gespinst« vor dem Bräutigam ausbreitet, darunter auch ein Leinenstück, bei dessen Anblick ihr unwillkürlich die Tränen aus den Augen brechen. Es erinnert sie an ihre Kinderjahre, an den Tag, wo, nach Feuersbrunst und Not und Krankheit, die fleißige Hand ihrer Mutter das Garn zu diesem Stück zu spinnen begann. Sie entsinnt sich auch der Worte, die damals die Mutter zu ihr sprach, und sie wiederholt sie jetzt:
»Setz auf den Herrn dein ganzes Hoffen,
Laß nie von ihm bei andrer Spott;
Je mehr das Unglück dich betroffen,
Je inn'ger schließe dich an Gott;
Laß Fleiß durch deine Tage blühen,
Und heiter lächeln wird ihr Glanz,
Hoff und vertrau, auf Schweiß und Mühen
Legt endlich Gott den Segenskranz. Es wird das Häuschen neu erstehen,
Wir werden es nach Gottes Rat
Im Schmuck der Reben wiedersehen –
Aus Tränen sprießt die Freudensaat.
Und nun, mein Kind, frisch angefangen,
Bring Arbeit mir ans Lager her,
Beim Schaffen haben Gram und Bangen
Auf unser Herz die Macht nicht mehr .«
Mit diesen Worten, die sich mehr denn einmal auch an unsrem Freunde selber bewährt haben, nehmen wir Abschied von ihm. Not und Sorge sind ihm reich aufgebürdet worden, und er liebt es wohl, nicht ohne einen leisen Anflug von Bitterkeit, sein Leben mit dem des Gellertschen Esels zu vergleichen, den alle drei Brüder benutzen und futtern sollten; »sie benutzten ihn auch alle drei, aber keiner futterte ihn«. Indessen, sei es drum. Ebender Segen der Arbeit, von dem jene Strophen sprechen, hat auch ihm über vieles hinweggeholfen; Humor und Dichtkunst haben ein weiteres getan und werden es ferner tun.
Vor allem aber möge ihm in Leben und Dichten der glücklich bescheidne Sinn verbleiben, der ihn an die Spitze seiner ersten Liedersammlung die Worte stellen ließ:
Wenn du auch nur Kleines leistest,
Wird dir's doch zum Ruhm gereichen,
Wenn du nur dich nicht erdreistest,
Es dem Großen zu vergleichen.
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Der Schloßberg bei Freienwalde und die Uchtenhagens
Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
Auf seinen Pfaden hintendrein. –
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel.
Goethe
Ein Kind aus schwarzer Menge blickt,
Es lächelt sterbensweh und nickt
Und macht im Saal die Runde.
E. Mörike
Die Hügel sind Freienwaldes Schönheit und sein Schatz. Wer, der je in der Märkischen Schweiz war, hätte nicht vom Ruinen- und Kapellenberg, von der Königshöhe und dem Monte Caprino gehört; heute jedoch, an allen diesen Punkten schöner Aussicht vorübergehend, machen wir dem entfernter gelegenen, halb verwilderten Schloßberg unsren Besuch, auf dem laut Sage die alte Burg der Uchtenhagens stand.
Vorher, einleitend, ein Wort über den Ursprung dieses Geschlechts.
Die Uchtenhagens saßen hier, um Freienwalde herum, drei, vielleicht auch vier Jahrhunderte lang, und emsiger, neurer Forschung ist es gelungen, die Schicksale derselben, die lange Zeit hindurch nur unklar dämmerten, wieder klar und deutlich an das Licht der Geschichte zu ziehn. Aber die historische Forschung, soviel ihr gelang, vermochte doch nicht bis auf die Anfänge des Geschlechtes zurückzugehen. Diese Anfänge sind in Dämmerung geblieben, und wir scheiden deshalb alles, was wir von den Uchtenhagens zu sagen haben werden, in eine sagenhafte und eine historische Zeit. Die historische Zeit, auf die wir weiterhin eingehender zurückzukommen gedenken, beginnt mit dem Ausgange des vierzehnten Jahrhunderts, zu welcher Epoche sich die Familie bereits in Freienwalde vorfindet. Aber nur die Sage beantwortet uns die Frage: Wie kamen die Uchtenhagens nach Freienwalde hin ?
Und dieser Sage wenden wir uns zuvörderst zu.
Henning von Jagow, »klein an Gestalt, aber hoch an Gemüt«, nachdem er sich, verdient oder unverdient, die Ungnade des Markgrafen zugezogen hatte, war aus dem Lande verbannt worden. Ein Preis stand auf seinen Kopf. Jagow indessen, unwillig, das Land zu verlassen,
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